Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
Klinge gegen sich selbst richtete. Ich begreife immer noch nicht, wie er dazu imstande war. Sein Geisteszustand ist mir ein vollkommenes Rätsel. Wie dem auch sei, kurz darauf wurde er bewusstlos, und ich trug ihn zum Haus. Wir taten für ihn in jener Nacht, was wir konnten. Er war völlig von Sinnen. Erst als die Behörden früh am nächsten Morgen kamen, um ihn zu holen, fiel mir der Dolch wieder ein, der im Wald liegengeblieben war. Ich kehrte zu der Stelle zurück und fand ihn zwischen den Blättern am Boden.» Er stockte. «Der Dolch stammt aus dem Mittelalter, denke ich. Er ist perfekt erhalten. Doch das Besondere ist, dass er in einem Christuskreuz steckt – einer sehr geschickten Konstruktion, in der eine Klinge verborgen ist. Das Kreuz ist über und über bedeckt mit fremdartigen Symbolen. Auf der Klinge befindet sich eine Inschrift. Ich war fasziniert und schockiert, als ich sah, dass die Symbole genau übereinstimmten mit der Form der Schnitte, die Rheinfeld sich zugefügt hatte.»
Ben begriff, dass es sich um das goldene Kreuz handeln musste, das der alte Clément erwähnt hatte. Fulcanellis Kreuz. «Was ist damit passiert?», fragte er. «Haben Sie es der Polizei ausgehändigt?»
«Nein, wie ich zu meiner Schande gestehen muss», antwortete der Geistliche. «Es gab keine Untersuchung. Niemand stellte in Frage, dass Rheinfeld sich die Wunden selbst zugefügt hatte. Die Polizei nahm lediglich ein Protokoll auf und notierte einige Details. Also behielt ich den Dolch. Ich fürchte, ich habe eine Schwäche für alte religiöse Artefakte, und der Dolch ist eines der Prunkstücke meiner Sammlung.»
«Darf ich ihn sehen?»
«Aber natürlich.» Vater Pascal lächelte. «Aber lass mich weitererzählen. Ungefähr fünf Monate später empfing ich einen höchst ungewöhnlichen und illustren Besuch. Ein Bischof aus dem Vatikan – er trug den Namen Massimiliano Usberti – kam eigens her, um mich zu sehen. Er stellte mir zahlreiche Fragen über Klaus Rheinfeld, über seinen Wahnsinn, über Dinge, die er vielleicht zu mir gesagt hatte, und über die Symbole auf seinem Leib. Doch was ihn am meisten interessierte, war die Frage, ob Rheinfeld etwas bei sich getragen hatte, als ich ihn fand. Nach dem, was er sagte, auch wenn er es nicht direkt ansprach, nehme ich an, er interessierte sich für den Dolch. Möge der Herr mir vergeben, ich habe ihm nichts gesagt. Das Kruzifix ist so wunderschön, und ich habe mich wie ein dummes, gieriges Kind verhalten und wollte ihn nicht hergeben. Aber ich spürte auch etwas, das mir Angst machte. Irgendetwas an diesem Bischof. Er wusste es gut zu verbergen, doch ich bemerkte, dass er ganz verzweifelt auf der Suche nach etwas war. Er wollte auch wissen, ob der Wahnsinnige Papiere bei sich getragen hatte, Dokumente, irgendwas in der Art. Er sagte immer wieder etwas von einem Manuskript. Ein Manuskript – er fragte mich immer und immer wieder danach.»
Ben merkte auf. «Hat er mehr darüber erzählt?»
«Der Bischof blieb ziemlich verschlossen. Ich hatte das Gefühl, dass er absichtlich ausweichend antwortete, als ich ihn fragte, was für ein Manuskript das denn wäre, nach dem er suchte. Er wollte auch nicht sagen, warum er sich dafür interessierte. Sein Verhalten erschien mir höchst merkwürdig.»
«Und hatte Rheinfeld wirklich ein Manuskript bei sich?», wollte Ben wissen. Es fiel ihm schwer, seine wachsende Ungeduld im Zaum zu halten.
«Ja …», gestand der Geistliche zögernd. «Hatte er. Allerdings fürchte ich …»
Ben war bis zum Platzen gespannt. Zwei Sekunden dehnten sich für ihn zu einer unerträglichen Ewigkeit.
«Nachdem Rheinfeld abgeholt worden war, kehrte ich, wie gesagt, zu der Stelle zurück, wo ich ihn gefunden hatte. Der Dolch und das Kruzifix lagen da, und außerdem die durchnässten Überreste von etwas, das aussah wie Blätter von einer alten Handschrift. Sie müssen aus seiner zerfetzten Kleidung gefallen sein. Sie waren in den Dreck gedrückt, wo er zusammengebrochen war. Der Regen hatte sie so gut wie zerstört: Die Tinte war fast völlig ausgewaschen. Ich konnte noch einige Zeichnungen und Schriftfetzen erkennen. Ich dachte, dass es eine kostbare Handschrift wäre und dass ich sie vielleicht später ihrem Besitzer zurückgeben könnte. Doch als ich versuchte, die Blätter aufzuheben, zerfielen sie mir in den Händen. Ich sammelte die Einzelteile auf und nahm sie mit hierher, aber es war unmöglich, noch etwas zu retten. Ich habe sie
Weitere Kostenlose Bücher