Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
er mit einem Lächeln. «Warum erzählst du mir nicht einstweilen mehr über dieses erstaunliche erste Geheimnis? Vielleicht sollten wir unsere Unterhaltung in meiner Wohnung fortsetzen?»
Ben legte das Journal zur Seite. Wer war dieser «Alexandriner»? Was hatte Daquin ihm erzählt? Und wer war dieser zweite Visionär, den Rudolf kannte und den er Nicholas vorzustellen versprochen hatte?
Wahrscheinlich irgend so ein schrulliger Irrer wie Gaston Clément , dachte Ben. Er blätterte durch das Journal und stellte fest, dass der gesamte letzte Teil der Seiten stark verrottet war. Es war schwer zu sagen, wie viele Seiten fehlten. Ben versuchte den letzten, beinahe unkenntlichen Eintrag im Journal zu entziffern. Er war unmittelbar vor Fulcanellis Verschwinden niedergeschrieben worden.
23. Dezember 1926
Alles ist verloren. Meine geliebte Frau Christina wurde ermordet. Daquins Verrat hat unser kostbares Wissen in die Hände des Alexandriners gelegt. Möge Gott mir vergeben. Ich habe zugelassen, dass es so weit kommen konnte. Ich fürchte um so viel mehr als um mein eigenes Leben. Das Schreckliche, das diese Männer anzurichten imstande sind, ist unaussprechlich.
Meine Pläne sind in die Wege geleitet. Ich werde Paris auf der Stelle verlassen, zusammen mit Yvette, meiner geliebten Tochter, die nun alles ist, was ich noch habe. Alles andere überlasse ich meinem treuen Gehilfen Jacques Clément. Ich habe ihn gewarnt, dass er ebenfalls Vorsichtsmaßnahmen ergreifen muss. Ich für meinen Teil werde nicht zurückkehren.
Das war es also. Irgendwie hatte Daquins Verrat an Fulcanelli zu einer Katastrophe geführt. Alles schien auf diesen mysteriösen Rudolf hinzudeuten, diesen «Alexandriner». Hatte er Fulcanellis Frau ermordet? Und mehr noch, wohin war der Alchemist von Paris aus gegangen? Er war so hastig aus Paris aufgebrochen, dass er sogar sein Tagebuch zurückgelassen hatte.
«Was für ein schöner Tag», sagte eine bekannte Stimme und riss Ben aus seinen Gedanken. «Darf ich mich zu dir setzen?»
«Hallo, Pater.» Ben klappte das Journal zu.
Pascal Cambriel setzte sich zu ihm und schenkte sich ein Glas Wasser aus einem Steinzeugkrug ein. «Du siehst heute schon wesentlich besser aus, mein Sohn.»
«Danke. Ich fühle mich auch besser.»
«Gut.» Der Priester lächelte. «Gestern hast du mir eine große Ehre erwiesen, indem du mir dein Geheimnis anvertraut hast. Es wird nie über meine Lippen kommen, sei versichert.» Er zögerte kurz. «Jetzt bin ich an der Reihe, denke ich. Auch ich habe ein kleines Geheimnis.»
«Ich kann Ihnen sicher nicht annähernd so viel Trost geben wie Sie mir gestern», meinte Ben.
«Und doch denke ich, mein Geheimnis wird dich interessieren. Es betrifft dich, auf gewisse Weise.»
«Wie das?»
«Du bist hierhergekommen, weil du nach mir gesucht hast. Aber in Wirklichkeit suchst du nach Klaus Rheinfeld, nicht wahr? Roberta hat es mir erzählt.»
«Wissen Sie, wo er ist?»
Der Priester nickte. «Lass mich von vorn erzählen. Wenn du wusstest, dass du nach mir suchen musst, dann musst du auch bereits gewusst haben, dass ich den armen Teufel gefunden habe.»
«Es war eine Schlagzeile in einer alten Zeitung.»
«Er schien vollkommen den Verstand verloren zu haben», erklärte Pascal Cambriel traurig. «Als ich sah, was für schreckliche Schnitte er sich selbst zugefügt hatte, überall am Leib, dachte ich im ersten Moment, das muss das Werk des Teufels sein.» Er bekreuzigte sich mechanisch, indem er Stirn, Brust und Schultern berührte. «Und du weißt wahrscheinlich auch, dass ich den Kranken aufgenommen und gepflegt habe und dass er fortgebracht und in eine Anstalt eingewiesen wurde.»
«Wohin hat man ihn gebracht?»
«Geduld, mein Sohn. Geduld ist eine große Tugend. Ich komme schon noch dahin. Lass mich fortfahren … Was du nicht weißt, was wahrscheinlich niemand weiß außer mir und dem armen Tropf, ist die Natur des Instruments, mit dem Rheinfeld sich diese grässlichen Wunden zugefügt hat. Das ist mein Geheimnis.» Sein Blick ging in weite Ferne, als er sich erinnerte. «Es war eine schlimme Nacht – jene Nacht, in der Rheinfeld in Saint-Jean auftauchte. Ein wilder, unbarmherziger Sturm tobte. Ich folgte Rheinfeld in den Wald, dort drüben …» Er zeigte zu der Stelle. «Ich sah, dass er ein Messer hatte, einen höchst eigenartigen Dolch. Im ersten Moment dachte ich, er würde mich damit töten. Stattdessen musste ich voller Grauen mit ansehen, wie der arme Kerl die
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