Das ganze gleich nochmal
seinen Willen festzuhalten?”
Carley lächelte schwach und schüttelte den Kopf. Unzählige Fragen gingen ihr durch den Kopf.
“Sehen Sie, ich kann es mir genauso wenig vorstellen.” Reid lehnte sich an den Schreibtisch, so wie Carley das vorhin getan hatte. “Außerdem hat Manny berichtet, dass dieser Mann kommen und gehen kann, wie er möchte. Er hält offenbar den Laden in Schwung.”
“Was hat das zu bedeuten? Wenn es wirklich Witt ist, wieso kehrt er dann nicht zu uns zurück?” Wie konnte Witt ihr und dem FBI so etwas antun?
“Wir haben bei seinen Mitarbeitern auf der Ranch vorsichtig Erkundigungen eingezogen. Davidson hat offenbar das Gedächtnis verloren und weiß nicht, wer er ist. Amnesie ist tatsächlich die einzige logische Erklärung. Bevor ich ihn hierher zurückhole und behandeln lasse, sollten Sie versuchen, ihm zu helfen, sein Gedächtnis wiederzuerlangen. Sie sind dafür perfekt geeignet. Schließlich sind Sie Psychologin, und Sie lieben ihn.”
Carley verschlug es erneut die Sprache. Witt hatte das Gedächtnis verloren? Der starke, unbesiegbare Witt brauchte ihre Hilfe?
“Viel Zeit kann ich Ihnen nicht geben”, warnte Reid. “Wir verlegen unsere Operation in die Nähe des Kinderheims. Carley, helfen Sie Witt und bringen Sie ihn zu uns zurück. Bleiben Sie mit uns in Verbindung, und wenn Sie etwas brauchen, wenden Sie sich an mich.”
Vierundzwanzig Stunden nach der Unterredung mit Reid stellte Carley sich Gabe Diaz vor, einem ungefähr sechzigjährigen Mann mit grauem Haar und freundlich wirkenden Augen hinter dicken runden Brillengläsern. Gabe, ein ehemaliger Pfarrer, war der Verwalter des Heims. Er hieß sie herzlich willkommen und zeigte ihr das Hauptgebäude.
Carley hatte sich vom Automobilclub die Strecke auf der Karte gelb einzeichnen lassen. Trotzdem hatte sie während der Fahrt oft gedacht, sich rettungslos verfahren zu haben. Niemand konnte in einer dermaßen abgelegenen und trostlosen Gegend leben.
Von wegen zivilisiert!
Während der äußerst anstrengenden sechsstündigen Fahrt hatte sie ständig an Witt gedacht. Er sah gut aus und wirkte so nett, dass er der perfekte verdeckte Ermittler war. Verbrecher ahnten oft nicht, welche Gefahr von ihm ausging. Er besaß aber auch eine sanfte Seite, wie sie nur zu genau wusste. Beinahe wäre sie von der Straße abgekommen, als sie sich an seine Zärtlichkeiten und verführerischen Küsse erinnerte.
Stundenlang hatte sie nicht einmal eine Tankstelle gesehen. Von Zeit zu Zeit hatte sie am Straßenrand gehalten und Cami zu trinken gegeben oder sie gewickelt. Endlich erreichte sie eine größere Stadt.
McAllen lag an einer Biegung des Rio Grande an der Grenze zwischen Texas und Mexiko. Hier lebten über hunderttausend Menschen. Überall gab es Geschäfte, Schulen und Kirchen. Alles wirkte neu und sauber. Leider führte die Straße zum Heim weiter nach Westen in die Einöde.
Zuerst war Carley am Rio Grande entlanggefahren, bis sie die Abzweigung zur Ranch fand. Eine geteerte Zufahrtsstraße, die Carley endlos lang erschien, führte schließlich zu mehreren Häusern und Ställen. Das zweistöckige Hauptgebäude war von Bäumen umgeben, der Parkplatz war asphaltiert. An einem alten Pfosten hing ein hölzernes Schild mit der Aufschrift
Casa de Valle
. Das bedeutete ‘Haus im Tal’.
“Ich muss mit einer der Betreuerinnen sprechen”, sagte Gabe und holte Carley mit seinen Worten in die Gegenwart zurück. “Bringen Sie Cami in den Tagesraum, und sehen Sie sich dann selbst um. Die älteren Kinder passen bei uns auf die kleineren Kinder auf. Sie werden sehen, das machen sie sehr gut.”
Carley überließ Cami einem reizenden Mädchen, brachte das Gepäck nach oben in das ihr zugewiesene Zimmer und verzichtete darauf, sich umzuziehen, bevor sie das Haus wieder verließ. Obwohl sie keine Ahnung hatte, wie sie vorgehen sollte, war sie fest entschlossen, Witt noch heute Nachmittag aufzuspüren.
Zuerst war sie von Reids Behauptung, Witt würde unter Amnesie leiden, schockiert gewesen. Doch dann hatte sie sich sehr schnell darauf eingestellt, sich die übliche Ausrüstung und die nötigen Informationen beschafft. Von ihrer Ausbildung her wusste sie noch einiges über Gedächtnisverlust, doch sie wollte Witt – sofern er es tatsächlich war – so gut wie möglich helfen.
Aus dem Internet hatte sie alles heruntergeladen, was sie zu diesem Thema finden konnte. Und sie hatte einen ihrer früheren Professoren angerufen. Das Ergebnis war
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