Das ganze gleich nochmal
nicht ermutigend. Die meisten Menschen, die unter Amnesie litten, erlangen ihr Erinnerungsvermögen innerhalb weniger Wochen oder höchstens einiger Monate zurück – oder nie. Die Vorstellung, Witt nach so langer Zeit zu finden, ihn aber nie wirklich zurückzubekommen, belastete sie.
“Vielleicht bewirkt der Schock über das Wiedersehen mit Ihnen, dass er sich wieder an alles erinnert”, hatte der Professor gesagt. Hoffentlich war es tatsächlich so einfach! Und er hatte ihr geraten, nichts zu erzwingen, das Gedächtnis müsse von allein zurückkehren. “Lassen Sie ihm Zeit. Schließlich ist es schreckend, sein ganzes früheres Leben zu verlieren.”
Der Professor hatte leicht reden. Er hatte mit der Sache ja nichts zu tun. Viel schwerer war es, wenn man jemanden liebte, der einen völlig vergessen hatte.
Auf dem Gelände zwischen dem Haupthaus und den Nebengebäuden rührte sich an diesem heißen Nachmittag nichts. Vielleicht hielten in dieser Gegend alle Menschen nach dem Mittagessen eine Siesta.
“Entschuldigung, Ma’am, suchen Sie etwas?” Ein Cowboy in Jeans und kariertem Hemd und mit einem Strohhut auf dem Kopf tauchte aus dem Schatten eines Stalls auf und kam auf sie zu.
“Ja, ich suche jemanden.”
“Und wen? Sie sehen nicht so aus, als würden Sie jemanden von hier kennen, wenn ich das sagen darf, Ma’am.”
Carley trug noch immer den Hosenanzug und die flachen Schuhe, die sie für die Fahrt gewählt hatte. In dem Aufzug passte sie tatsächlich nicht auf eine Ranch. Sie hätte wenigstens Jeans anziehen können, doch im Moment hatte sie ein ganz anderes Problem. Sie erinnerte sich nicht mehr, welchen Namen Witt angeblich benutzte. Dafür fiel ihr ein anderer Name ein, den Reid erwähnt hatte.
“Kennen Sie den Assistenten des Tierarztes, Manny …, den Nachnamen weiß ich nicht.”
“Ja”, erwiderte der Cowboy. “Er ist gerade bei den Hengsten im Stall. Soll ich ihn holen?”
Das war auch keine Lösung. Wieso hatte sie sich nicht vorher alles genauer überlegt? “Ich …”
“
Qué pasa, amigo?
Was ist los?”
Carley wirbelte beim Klang der vertrauten Stimme herum. Sie hatte gedacht, auf alles vorbereitet zu sein, doch der Anblick des Mannes, der sie bei Tag und Nacht verfolgt hatte, warf sie um.
“Dem Himmel sei Dank.” Sie schwankte, und im nächsten Moment drückte Witt sie an sich und stützte sie.
Carley hatte längst die Hoffnung aufgegeben, Witts Arme jemals wieder zu fühlen, doch jetzt spürte sie die harten Muskeln und die Wärme, die er ausstrahlte. Hoffnung keimte in ihr auf.
Doch Witt sah sie an, als wäre sie eine Fremde, und die Hoffnung erlosch.
“Geht es Ihnen nicht gut, Ma’am? Ist Ihnen schwindelig? Haben Sie nicht genug getrunken? Sie sollten nicht ohne Hut in die Sonne gehen.” Er wich einen Schritt zurück und hielt sie nur noch am Arm fest. “Soll ich Sie ins Haus bringen? Sie brauchen ein Glas Wasser.”
Was sie brauchte, waren sein Anblick und seine Nähe. Beides hatte ihr viel zu lange gefehlt.
Doch dann traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht. Das Zusammentreffen mit Witt hatte bei ihm keine Erinnerungen ausgelöst. Sie hingegen dachte an seine unwiderstehlichen Küsse und seine Leidenschaft, seine Finger auf ihrer Haut und das Verlangen, das er in ihr ausgelöst hatte. Die Sehnsucht nach ihm war so groß, dass ihr erneut schwindelig wurde.
“Brauchst du Hilfe, Houston?”, fragte der Cowboy.
“Nein”, wehrte Witt ab. “Geh wieder an die Arbeit. Ich komme hier schon klar.” Er beugte sich zu Carley. “Wir schaffen das doch, oder?”, fragte er leise, und sein Atem strich warm über ihre Wange.
Einen Moment fragte sie sich, ob er den Gedächtnisverlust nur vortäuschte. Nein, das war ausgeschlossen. Der Mann, den sie liebte, konnte nicht so tun, als würde er sie nicht kennen. Als sie nicht antwortete, führte er sie energisch zum Hauptgebäude.
“Also …” Es hatte keinen Sinn, den Namen zu benutzen, den er vergessen hatte. “Cowboy, Sie schaffen es bestimmt.” Allerdings war sie nicht sicher, ob sie es schaffte, sich in seiner Nähe zu beherrschen.
Als Witt mit ihr die Küche erreichte, hatte Carley sich wieder einigermaßen im Griff. Eines nach dem anderen, sagte sie sich. Zuerst musste sie erfahren, wie er sich jetzt nannte.
Mit zitternden Fingern griff sie nach dem Glas Wasser, das er ihr reichte. “Ich bin Carley”, sagte sie betont. “Carley Mills. Wie heißen Sie?”
“Carley? Hübscher Name für eine so
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