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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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    »Weiß nich«, erwiderte ich. »Vor der Glotze hocken. Filme gucken und so’n Zeug.«
    Wenn die dumpfe Trivialität meiner Antwort Mr. Cardew deprimierte, dann zeigte er es nicht. Er nickte bloß. »Was ist dein Lieblingsfilm?«, fragte er.
    Ich zappelte herum. Rieb mir die Nase. Suchte nach der richtigen Antwort. Dachte an all die Stunden, Tage, Wochen, die wir bei Banny rumgehangen hatten, auf dem Videorekorder ein Stapel VHS-Kassetten: Ich spuck auf dein Grab , The Boogeyman , Brennende Rache , Freitag der 13. , The Driller Killer , Die Rache der Kannibalen , Die Boys von Kompanie C. , Die …
    »Schon gut«, lachte er. »Dann eben irgendein Film, der dir gefällt.«
    Die … Wie hieß noch mal der Film, den Tommy ausmachen wollte, weil die Figuren alle nur »Dünnschiss labernde Schwuchteln« waren? Der, der so lahmarschig angefangen hatte und sich am Ende als richtig gut rausstellte? Mit dem Typen, der auch in diesem anderen Fi…
    » Die durch die Hölle gehen «, sagte ich. »Der war gut.«
    Eine Pause. Er nickte, schien beeindruckt zu sein. Ich war immer schon geschickt darin, den Leuten zu erzählen, was sie hören wollen.
    »Mmm«, brummte Mr. Cardew. »War er dir nicht ein bisschen zu sehr Walt Disney?«
    Ich sah ihn an. Ich hatte keine Ahnung, was er meinte. Walt Disney? Ein Kinderfilm? »Ich … nö. Eigentlich nicht«, sagte ich.
    »Ach, komm schon.« Er lehnte sich vor, verschränkte die Hände. »Alles, was noch laufen kann, versucht, aus Saigon zu verschwinden. Aber der gute De Niro schmuggelt sich nicht nur hinein, er schafft es auch noch, seinen Kumpel in dieser Russisch-Roulette-Spelunke aufzutreiben. Das läuft doch alles etwas zu glatt, oder?«
    Ein Gespräch wie dieses hatte ich noch nie über einen Film geführt. Das war etwas anderes als der starre Vortrag eines Lehrers. Anders als das »Ich fand die Stelle super, als der Typ …«-Gelaber meiner Kumpels. Damals war es mir noch nicht bewusst, aber ich führte gerade meine erste kritische Konversation.
    »Und was liest du so?«, wollte Mr. Cardew wissen.
    »Nur die Bücher, wo es hier in der …«
    »Die.«
    »Hä?«
    »Die Bücher, die es hier gibt. Nicht wo .«
    »Wenn Sie meinen. Nur die Bücher, die es hier in der Bücherei gibt und so.« Das Angebot der Gefängnisbücherei beschränkte sich weitestgehend auf Abenteuer-Schwarten von Jim Hunter sowie zerfledderte Taschenbücher von James Herbert und Stephen King.
    »Und so?«
    »Was?«
    »Meinst du damit, dass es in der Bücherei auch noch andere Sachen als Bücher gibt?«
    »Äh, nee.«
    »Nein.«
    »Nein.«
    »Gut. Dann kannst du auf das und so verzichten. Der Satz sollte nach die Bücher, die es hier in der Bücherei gibt enden.«
    Ich glotzte ihn entgeistert an. Offensichtlich war dieser Mann nicht ganz richtig im Kopf.
    »Ich sehe, da kommt einiges an Arbeit auf mich zu«, sagte Mr. Cardew.
    »Sind Sie mein Lehrer?«, fragte ich.
    »Dein Sozialarbeiter, William«, antwortete er und griff in seine Jackentasche. Er zog ein Taschenbuch heraus und reichte es mir. Die Menschenfreunde in zerlumpten Hosen. Der Titel war mir ein Rätsel. »Aber ich werde dir trotzdem etwas beibringen.«
    * * *
    Lange Zeit saß ich einfach nur da und starrte hinaus in den Schnee. Ich hatte seit Jahren nicht mehr an Mr. Cardew gedacht. Bevor mir klar war, was ich eigentlich tat, hatte ich die Schreibtischschlüssel aus der Ramones-Tasse gefischt und die untere rechte Schublade geöffnet. Diejenige, die immer abgeschlossen war.
    Ich strich über die vernickelte Ruger Automatik. Die Waffe war ein Geschenk, ein etwas kauziges Präsent zum Einzug. Mike Rawls, der Sicherheitschef meines Schwiegervaters, hatte sie mir mit einem gut gemeinten Ratschlag überreicht: »Wer am Arsch der Welt lebt, Donnie, der schläft deutlich besser, wenn er eine Wumme im Haus hat.« Mike ging mit mir nach draußen in den Wald und gab mir einen kleinen Einführungskurs, indem er mich auf Papierbögen schießen ließ, die er an Bäume gepinnt hatte. Sammy war gegen die Waffe, und aus Sicherheitsgründen bewahrte ich das Magazin in einer anderen Schublade auf. Manchmal, wenn ich tagsüber hier herumsaß und mit der Arbeit nicht vorankam, nahm ich die ungeladene Waffe heraus, zielte mit zugekniffenem Auge durch das Fenster, verschoss imaginäre Salven auf Steine, Bäume und Vögel und genoss das Gewicht des tödlichen Metalls in meiner Faust.
    Jetzt holte ich die Waffe hervor, öffnete die andere Schublade und griff nach dem Magazin.

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