Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
wieder lebendig gemacht hat. Seither
weiht er sein Leben der Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Opfer in dem ganzen
juristischen Hickhack nicht untergehen.«
    »Verständlich«, sagte ich.
Trotz gewisser Ungerechtigkeiten bei der Umsetzung unseres neuen Grundsatzes
eines härteren Umgangs mit Gewaltverbrechern — wie etwa der unterschiedslosen
Anwendung des Dreimal-gefehlt-und-aus-Prinzips — hielt ich die Idee für längst
überreif.
    Ricky beugte sich noch näher an
die Seitenscheibe und pfiff leise durch die Zähne. »Guckt euch das an!«
    Ich spähte über seine Schulter.
Rechts der Fahrstraße fiel der Hang zu einem sanfthügligen Gelände ab. Ein
geteerter Zufahrtsweg schlängelte sich darüber, von einem Paar massiver
steinerner Torpfeiler bis zu einer fernen Ansammlung weißer Häuser mit roten
Dächern. Dahinter erhob sich ein größerer Hügel, und auf diesem standen
Tausende von Autos. Spätankömmlinge parkten bis in den Ranchhof hinunter, und
Leute erklommen den Hang, beladen mit Kühltaschen, Picknickkörben und
Klappstühlen.
    »Wahnsinn«, sagte Ricky. Er
drehte sich zu Hy und mir um, eine freudig-verlegene Röte im Gesicht. »Das
klingt vielleicht nach Koketterie, aber ich habe mich immer noch nicht daran
gewöhnt, dass so viele Leute kommen, nur um mich zu hören. Das erste Mal, dass
ich das erlebt habe, war bei diesem Konzert in der Hollywood Bowl. Ich konnte
es gar nicht glauben und dachte, jemand wie Willie Nelson oder Johnny Cash
hätte überraschend einen Gastauftritt zugesagt.«
    Der Fahrer scherte links aus
und passierte die Autoschlange, die sich an den Steinpfeilern staute.
Neugierige Gesichter starrten herüber, versuchten zu erkennen, wer sich hinter
den getönten Scheiben verbarg. Zwei bewaffnete Sicherheitsleute waren am
Zufahrtstor postiert; der eine kam zu uns herüber, inspizierte den Geländepass,
den der Fahrer vorzeigte, hielt dann die Autoschlange an und ließ uns durch.
Der Wagen glitt den Teerweg entlang, umfuhr das Ranchhaus und die Nebengebäude
und folgte einem unbefestigten Feldweg um den Hügel herum. Der Anblick, der
sich von der anderen Seite aus auftat, nahm mir den Atem.
    »Könnten Sie bitte kurz hier
halten?«, fragte Ricky den Chauffeur. Unter uns lag eine tiefe Mulde, mit einem
silberglänzenden Teich an der tiefsten Stelle. Am Ufer des Teichs stand eine
Bühne, und das Areal davor sowie die umliegenden Hänge waren voller Menschen. Die
Leute lagerten auf Decken oder saßen auf Klappstühlen; die meisten hatten
irgendeine Art von Picknick dabei, von Kentucky-Fried-Chicken-Packungen bis zu
stilvollen Körben. Die Bühne selbst war in grelles Scheinwerferlicht getaucht,
das von Podesten rechts und links kam. Roadies wieselten herum und
Soundequipment pfiff und brummte. Als wir hielten, begann eine männliche
Lautsprecherstimme eine Ansage zu machen, die von den Hängen widerhallte.
    Ricky ließ das Fenster
herunter.
    »...außerordentlich glücklich, ihn
heute Abend hier bei uns zu haben... Ricky Savage!«
    Jubel und donnernder Applaus.
    »...und als Vorgruppe...
Maximal«
    Erneuter Applaus, der jedoch
nicht so heftig war und rasch verebbte.
    Ich kniff die Augen zusammen
und musterte die fernen Gestalten, die jetzt über die Bühne kamen. Selbst auf
diese Entfernung wirkten die Maxima-Mitglieder blitzsauber, alle in Karohemden
und Jeans, die Männer mit bravem Kurzhaarschnitt, die Frau — die Repräsentantin
der amerikanischen Ureinwohner — mit einem langen Pferdeschwanz.
    Hy, ein Wildwest-Fan, bemerkte:
»Roy Rogers’ Söhne der Pioniere plus Pocahontas.«
    Ricky lachte. Die Szenerie
unter uns wirkte auf ihn wie eine Dreifachdosis von Carmens Java-Kaffee. Er
schnellte herum und wies den Fahrer an: »Los geht’s.« Zu uns sagte er: »Mit
etwas Glück kommen wir heute Abend um diese Arschgeigen herum.«
    Der Teerweg führte jetzt
abwärts, hinter eine Eukalyptus-Windschutzhecke, die den Weg zur Mulde hin
abschirmte. Ein Stück vor uns standen mehrere Trailer. Der Fahrer hielt vor einem
davon und beeilte sich, uns den Schlag zu öffnen. Ricky erklärte ihm: »Gehen
Sie ruhig runter und gucken Sie sich’s an, wir treffen uns um Mitternacht
wieder hier.«
    Außerhalb des wohl temperierten
Wagens war es brütend heiß. Die Luft stand absolut still, schwer vom Geruch
staubigen, vertrockneten Grases und scharfem Eukalyptusaroma. »Was glaubst du,
wie warm es ist?«, fragte ich Hy, während ich das Baumwollhemd auszog, das ich
über dem Trägerhemd trug, und

Weitere Kostenlose Bücher