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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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nicht allzu genau hingeguckt, wie er ihn
durchgeführt hatte. An guten Tagen sagte ich mir, dass ich sie benutzen und
trotzdem meine Integrität bewahren konnte. An schlechten hatte ich meine
Zweifel. Und in den dunklen Nachtstunden, wenn meine Missetaten mein
schlafloses Bewusstsein überschwemmten, kam ich zu der Überzeugung, dass ich
bereits selbst zu der Sorte Privatermittler gehörte, die ich verabscheute. In
solchen Nächten wollte ich am liebsten alles hinschmeißen und mit Hy in das
Häuschen an der Küste flüchten, das wir Touchstone getauft hatten. Dort, sagte
ich mir, würden wir wieder zu uns selbst finden, würden wir Frieden finden.
    Natürlich war mir klar, dass
das nicht so leicht ging. Niemand kann einfach das Geschirr der Vergangenheit
abschütteln und davonlaufen.
    Rickys Stimme unterbrach, was
sich zu einer Weltklasse-Grübelsession hätte entwickeln können. »Hi, Jamie...
Klar bin’s wirklich ich. Alles Gute zum Geburtstag, Schätzchen... Du hast’s
schon ausgepackt? ... So? Freut mich... Hör mal, Schätzchen, ist deine Mutter
da? ... Gib sie mir mal, okay? Und eine schöne Feier noch.«
    Er hielt die Muschel zu und
sagte: »Herrgott, fast hätte ich den Geburtstagsanruf verschwitzt! Ich hätte
nie gedacht, dass ich mal den Geburtstag von einem meiner Kinder vergessen
könnte.« Er wartete kurz, setzte sich dann gerader auf, und sein
Gesichtsausdruck wurde wachsam und defensiv. »Ja, Charly... Ja, Shar meint,
dass wir da ein Problem haben... Hat sie, und sie hat Hy auch mit einbezogen.
Er hat einen von seinen Leuten in zwei Stunden in unser Haus bestellt und-«
    Jetzt redete meine Schwester.
Rickys Kieferknochen traten schärfer hervor, und er begann, mit den Fingern auf
seinem Oberschenkel herumzutrommeln.
    Ich runzelte die Stirn und sah
Hy an. Er zuckte die Achseln.
    »Tja, Charlene«, sagte Ricky
kühl, »das wirst du wohl absagen müssen.«
    Jetzt sprach sie wieder; rote
Flecken breiteten sich über Rickys ausgeprägte Wangenknochen, und seine Augen
glitzerten. Ich erschrak, weil ich seinen unterdrückten Zorn spürte.
    »Das ist mir egal, Charlene«,
sagte er langsam und prononciert. »Was ist wichtiger, die Sicherheit unserer
Kinder oder dein... Ja, ganz recht... Also, könntest du mir den Gefallen tun,
Charlene? Könntest du’s verdammt nochmal tun?« Er unterbrach abrupt die
Verbindung, klatschte Hy das Telefon in die Hand und griff nach einem weiteren
Bier.
    Ich sagte: »Ricky...«
    »Du willst wissen, was los ist,
Shar? Du willst es wirklich wissen?«
    »Nur wenn du drüber reden
möchtest.«
    »Warum nicht? Es wird sowieso
bald offenkundig sein. Was los ist? Deine Schwester hat einen anderen, das ist
los. Es ist aus zwischen uns, sagt sie.«
    Ich starrte ihn an. Unmöglich.
Nur sagte mir sein Gesicht, dass es stimmte. »Charlene — einen anderen? Wen?«
    »Frag sie doch selbst.« Er
kippte Bier in sich hinein, beugte sich dann vor, die Ellbogen auf den Knien,
und der ganze Zorn schien plötzlich aus ihm zu entweichen. »Frag sie doch«,
wiederholte er mit belegter Stimme. »Nichts, was in Charly vorgeht, hat noch
irgendwas mit mir zu tun.«
     
     
     
     

4
     
    Das Two Rock Valley erstreckt
sich zwischen dem Westrand der kleinen Stadt Petaluma und dem Küstengebirge.
Schafe und Milchkühe weiden auf sanften Hügeln mit immergrünen Eichen und wettergeformten
Felsgebilden. Ranchgebäude ducken sich in den Senken, von Windhecken aus
Zypressen und Eukalyptus geschützt. Der Winterregen färbt das Weideland
leuchtend grün, im Frühling ist es goldbestäubt von Ackersenf. Jetzt jedoch,
Ende Juli, waren die Grasflächen hinter den dreireihigen Stacheldrahtzäunen
sonnenversengt, die Bäume zundertrocken.
    In stillschweigender
Übereinkunft hatten wir das Thema Ricky und Charlene rasch fallen lassen. Den
Rest der Fahrt hatten er und Hy über das nachlassende Interesse am Baseball,
die politischen Ambitionen unseres Gouverneurs und das neue Plattenlabel
geredet. Ich war damit beschäftigt, mein Bild von Charlene und Ricky irgendwie
mit der Realität übereinzubringen, aber meine Schwester mit einem anderen Mann
— das passte einfach nicht in meine Vorstellung. Wer war er? Warum hatte sie
sich mit ihm eingelassen? Und wenn es zu einer Scheidung käme, wie würden die
Kinder, von der achtjährigen Jüngsten bis zum achtzehnjährigen Mick, damit
fertig werden? Wie würde ich damit fertig werden? Ich liebte Ricky genauso wie
meine leiblichen Brüder; wie in aller Welt sollte ich

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