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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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bereute, dass ich nicht Shorts statt der Jeans anhatte.
»Dreiunddreißig Grad?«
    »Etwa, es waren heute
Nachmittag in der Stadt schon an die dreißig.« Er streckte die langen
Gliedmaßen und sah zu den dunklen Hügelkuppen im Westen hinüber, wo der Himmel
ein wildes Mix aus Gold, Rot und Magenta war. »Kein Nebel heute Abend, also
wird sich auch morgen nichts ändern.« Dann legte er mir die Hand auf die
Schulter, und wir folgten Ricky in Richtung des Trailers. Als wir fast dort
waren, trat ein Mann mit einem Klemmbrett heraus, um uns zu begrüßen. Er war
lang und dünn, ganz schwarz gekleidet, und das Haar fiel ihm auf die Schultern
— fettige Lockensträhnen, die bei mir immer den Impuls auslösen, den Träger
darauf hinzuweisen, dass die Sixties schon lange vorbei sind. Er hatte schmale
und eng stehende Augen, und Nase und Mund erinnerten an die Schnauze eines
Opossums; als er den Mund aufmachte, komplettierten kleine, spitze Zähne das
Bild.
    »Wird auch Zeit, Savage.«
    »Hey, Rats. Darf ich
vorstellen, Sharon McCone und Hy Ripinsky. Das ist Virgil Rattray, mein
Road-Manager.«
    Rattray taxierte uns, ohne
Anstalten zu machen, uns die Hand zu geben. »Ah ja, die Schwägerin, so eine Art
erwachsene Nancy Drew.« Und zu Hy sagte er: »Weiß nicht, wer Sie sind, ist aber
schätzungsweise auch nicht wichtig.«
    Ricky grinste uns achselzuckend
an. »Alle da?«
    »Die Band ist in Trailer drei
und vier.« Rattray machte eine Kopfbewegung, und seine Fettlocken schwangen wie
Dreadlocks. »Wollten nochmal das neue Arrangement durchgehen. Und Paul Ciardi, der
Rancher; will dich sprechen. Will dich vermutlich zum Ehrenmitglied seines
Vereins machen.«
    »Okay. Ist das Equipment heil
angekommen?«
    »Wofür bezahlst du mich?«
    »Und die Sachen, um die ich
gebeten habe, sind die im Trailer?«
    »Mann, Savage.« Rattray seufzte
theatralisch und verdrehte die Augen. »Flasche Dear Hill Chardonnay, im
Eisfach. Sechserpack Beck’s, dito. Zwei Flaschen San Pellegrino.
Antipasto-Sortiment. Baguette — die baskische Version. Frische Cantaloupe und
Erdbeeren. Klamotten zum Wechseln, plus dein Bühnenoutfit. Soll ich dir
vielleicht noch den Hintern küssen?«
    »Danke, Rats, später«, sagte
Ricky milde.
    Rattray schaute finster auf
sein Klemmbrett. »Typ von der Zeitung von Santa Rosa will ein Interview. Hab
ihm gesagt, er kann fünf Minuten haben, auf dem Weg runter. Du gehst Punkt zehn
auf die Bühne, halt dich zehn vor bereit.« Er drehte sich abrupt um und stapfte
in Richtung der Bäume, wobei er unmelodisch vor sich hinpfiff.
    Hy fragte: »Ist er immer so
reizend?«
    »Ihr habt ihn von seiner besten
Seite erlebt. Wenn Rats mal nicht die totale Pest ist, wissen wir, dass ihm was
fehlt.«
    »Warum behältst du ihn dann?«
    »Er ist ein erstklassiger
Road-Manager. Ein Genie im Koordinieren von Terminen und noch besser, wenn’s
drum geht, das Equipment von A nach B zu kriegen; er sorgt dafür, dass der Auf-
und Abbau blitzartig geht. Und er treibt ein, was uns zusteht, und verteilt das
Geld ehrlich. Außerdem ist er auf seine biestige Art offen. In dieser Branche
ist das eine wohltuende Abwechslung.«
    »Du traust ihm?«, fragte ich.
    »Was seinen Job angeht? Ja.
Ansonsten? Nie und nimmer.«
    Ich nickte und notierte mir im
Geist: Virgil Rattray überprüfen. Der Road-Manager war in der Position, Ricky
und der Band viel Gutes zu tun oder auch großen Schaden zuzufügen — und krumme
Touren seinerseits waren vielleicht nicht so leicht feststellbar. »Hört mal«,
sagte Ricky, »habt ihr vor, zu den anderen zu stoßen? Ich habe ihnen ein
Picknick in den Wagen packen lassen, aber ich habe auch was zu essen hier,
falls ihr in der Nähe bleiben wollt.« Ein Unterton in seiner Stimme verriet
mir, wie sehr er wollte, dass wir dablieben. »Wir bleiben bei dir. Gibt’s
irgendeine Möglichkeit, wie wir nah dran sein können, wenn du auf der Bühne
bist?«
    »Wieso? Du glaubst doch nicht,
dass jemand —«
    »Nein, nein, das nicht. Aber Hy
und ich sollten besser mitkriegen, wie das bei einem Konzert so läuft, für den
Fall, dass wir dich auf der Tour schützen müssen.«
    Hy setzte hinzu: »Ich habe mich
beim Hereinfahren vergewissert: Die Sicherheitsmaßnahmen machen einen guten
Eindruck. Du brauchst dir keinerlei Sorgen zu machen. Aber wie McCone sagt, wir
sollten vorausdenken.«
    Ein Teil der Besorgnis
verschwand aus Rickys Blick. »Okay, ich werd’s arrangieren. Aber jetzt schaue
ich besser erst mal nach der Band. Geht rein,

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