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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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zarten Züge und ihre lange blonde Mähne. In diesem Moment fragte er sich auch, warum zum Teufel er ausgerechnet diese Frau haben musste, die heute einmal mehr nicht an seiner Seite war, eine verheiratete Frau, die sich das Beste aus zwei Welten wünschte, einen Ehemann und einen Liebhaber, und die sich nur alle vierzehn Tage einmal für ihn freimachen konnte. Doch Sehnsucht und Selbstvorwürfe hinderten ihn nicht daran, die Vorbereitungen für das Geburtstagsgeschenk voranzutreiben.
    In der folgenden Woche rief er Lloyd an und verabredete sich mit ihm und Dermot Lynch in einem Pub in Victoria. Er kannte es nicht, sie waren alle drei noch nie dort gewesen. Vermutlich hatte er es gerade deshalb ausgesucht. Lloyd kam als Erster und erörterte sachlich das Drum und Dran – den Kauf von Skimasken für sich und Dermot, Handschellen und Knebel für Hebe. Dermot, der mit den Händen sprach, verdrehte die Augen, reckte einen Daumen hoch und zwinkerte Ivor zu, als dieser ihnen sagte, wo sie sich die Requisiten holen sollten, und ihnen das Geld dafür und für die Anmietung des Wagens übergab. Er wiederholte sein Angebot – fünfhundert Pfund für jeden, um eine Frau von einer Adresse nördlich der North Circular Road nach Hampstead zu bringen. Lloyd nickte und sagte, auch wenn Ivor ihn nicht darum gebeten hatte, er würde natürlich den Mund halten.
    Zweihundertfünfzig Pfund sofort, sagte Ivor, die andere Hälfte in bar in einem Umschlag auf dem Dielentisch neben der Haustür. Einen Hausschlüssel würden Lloyd und Dermot nicht brauchen, er selbst werde dort sein und die Haustür nur anlehnen. Sie tranken alle drei noch eine Runde, Dermot reckte wieder den Daumen hoch und verbreitete sich ausführlicher über die Vorbereitungen, als Ivor lieb war. Außerdem lachte er viel.
    »Wie sind Sie bloß auf so eine Idee verfallen?« Staunend über Ivors Einfallsreichtum schüttelte er den Kopf.
    Lloyd war ziemlich schweigsam. Er hatte sich gerade von seiner Freundin getrennt, wovon Ivor allerdings damals nichts wusste. Dermot und Lloyd fuhren zusammen in Lloyds Wagen weg.

3
    Zu den Einsichten, die ich Sandy Caxton verdanke, gehört auch die, dass man früher glaubte, das Gewicht der Seele betrüge beim Verlassen des Körpers einundzwanzig Gramm. Oder Unzen, das weiß ich nicht mehr. Die Neuplatoniker dachten, dass die Seele in allen Körperteilen gegenwärtig sei. Hoffentlich hatte Sandys Seele noch Zeit gehabt, sich davonzumachen, als die Bombe hochging, denn sie zerfetzte ihn bis zur Unkenntlichkeit. Vielleicht wurde sie zu einem schneeweißen Vogel und nistet nun bis zum Jüngsten Tag unter Gottes Thron. Angeblich glauben das manche Muslime.
    Der Fall dürfte bekannt sein, wenn auch vielleicht nicht in allen Einzelheiten. Sandy hatte mit seiner Frau und den beiden Kindern die Nacht in seinem Haus in Leicestershire verbracht. Sie schliefen im Haus, sein Leibwächter und der Hund in der Wohnung über der Garage, einem umgebauten Stall. Am Samstagvormittag wollte Sandy mit einem anderen Tory-Abgeordneten, einem Hinterbänkler, und seinem Wahlkampfmanager, der im Nachbardorf wohnte, zum Golfspielen. Der Leibwächter machte um sieben den üblichen Sicherheitscheck, überprüfte Sandys Wagen, einen Rover, und durchsuchte die Garage, wo sein Schäferhund in jeden Winkel schnüffelte. Weil der Leibwächter wusste, dass sein Chef wegfahren wollte, holte er den Wagen, schloss das Garagentor und parkte das Auto auf dem gepflasterten Platz vor dem Haus.
    Um halb acht stand Sandy auf. Erica und die Kinder, ein Junge und ein Mädchen, ließ er schlafen. Er machte sich eine Tasse Tee, aß ein Brot mit Orangenmarmelade und verließ das Haus. Der Leibwächter war wieder in seine Wohnung gegangen, kam aber herunter, als er Sandy sah, begrüßte ihn und blieb mit seinem Hund in einiger Entfernung stehen, während Sandy in den Rover stieg. Nicht beim Drehen des Zündschlüssels, sondern als der Motor ansprang, ging der Wagen hoch.
    Glas- und Metallsplitter trafen den Leibwächter. Offenbar rührte er sich nicht, sondern stand da wie versteinert. Der Hund, blutbespritzt und zitternd, fing an zu jaulen. Der Leibwächter blieb regungslos stehen, bis Erica Caxton schreiend aus dem Haus gerannt kam, dann lief er auf sie zu und rief: »Nicht hinsehen, nicht hinsehen!«, aber da war nichts mehr zu sehen außer Glas und Metall und ein paar Fetzen Stoff und Blut, überall Blut. Die Kinder, vierzehn und sechzehn, hatten alles verschlafen.
     
    Der

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