Das Geburtstagsgeschenk
ich gerade diesen Karton nehme, ist ganz passend, denn zu dem Schuhkauf war Hebe mitgekommen und hatte ein Paar Stiefel gekauft. Vielleicht sollte ich besser sagen, dass ich mit Hebe mitgekommen bin, denn so fühlte sich das immer für mich an. Die Stiefel waren aus schwarzem Lackleder, sie hatten sehr hohe Absätze und waren vorn bis zum Knie geschnürt.
»Die kannst du auf der Straße doch gar nicht gebrauchen«, sagte ich.
Sie lachte. »Will ich auch gar nicht. Aber im Bett.«
Solche Bemerkungen sind mir peinlich, da weiß ich nie, wohin ich sehen soll. Wir tranken einen Kaffee zusammen, und dabei erzählte sie mir von dem, was sie mit Ivor Tesham so macht, wie sie sich verkleiden und verschiedene Rollen spielen, und dagegen ist ja eigentlich nichts einzuwenden, aber so, wie sie es erzählte, war es praktisch Sadomaso, und das war mir nicht geheuer. Vielleicht, weil es so gar nichts mit Gerry zu tun hatte, der ein ganz Solider ist. Dachte ich. Ob sie in Ivor verliebt sei, fragte ich.
»Was weiß denn ich! Wahnsinnig verrückt bin ich nach ihm, so viel steht fest, aber Liebe …? Ich hab mir eingebildet, dass ich in Gerry verliebt war, als ich ihn geheiratet habe. War ich ja vielleicht auch. Aber es hat nicht angehalten.«
Warum sie dann bei ihm bleibe, wollte ich wissen.
»Ich sage mir, dass es nicht recht wäre, Justin von seinem Vater zu trennen, aber ob das der wahre Grund ist? Du weißt ja, ich habe nie gearbeitet, habe gleich nach dem Studium Gerry geheiratet, und dann kam Justin. Was hätte ich machen sollen?«
»Du hast doch Medienwissenschaften studiert«, wandte ich ein.
»Das haben eine Million anderer Leute auch. Ich wüsste gar nicht, wie ich es anstellen sollte, einen Job bei der Zeitung oder im Fernsehen oder sonst wo zu bekommen. Eigentlich bin ich nur in einer Sache gut. Als Hure wär ich super, aber da mache ich dann doch lieber weiter wie bisher.«
Ich kam auf die Stiefel zurück. Die würde sie doch bestimmt Gerry nicht zeigen? Sie hatten dreimal so viel gekostet wie meine Schuhe.
»Die bezahlt Ivor. Schließlich sind sie für ihn, zu seiner Lust.« Das ›s‹ in Lust zischte nur so, sie ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen. »Bist du ein Engel und gibst mir ein Alibi für den 18. Mai?«
Ja, sagte ich, aber ihr Geburtstag sei doch am Siebzehnten.
»An dem Abend will Gerry mit mir ausgehen.« Sie verzog das Gesicht. »Du hast versprochen, dass du zum Babysitten kommst. Es ist lästig, aber die Ehe ist eben eine lästige Angelegenheit, was will man machen …“
Dazu fiel mir nichts ein. »Ich hab das Gefühl, dass was Schlimmes passieren wird. Könnt ihr es nicht auf einen anderen Abend legen?«
»Ach, Janey, du mit deinen Ahnungen! Ivor will es nun mal am Achtzehnten machen, und ich kann ihm nicht gut sagen, dass dir der Tag nicht passt. Außerdem weiß Gerry schon, dass wir da ins Theater gehen, du und ich.«
Mal wieder ohne mich zu fragen, aber mit mir können sie’s ja machen. Angefangen bei Mummy wissen alle, dass ich nie ausgehe. Eigentlich komisch – man liest in der Zeitung von jungen Leuten, die zu Raves und in Clubs gehen, die jeden Abend auf der Piste sind, von einem Bett ins andere steigen, zu viel trinken und Drogen nehmen. Ich bin auch jung, aber ich weiß nicht mal, was ein Rave ist. Ich könnte an den Fingern einer Hand abzählen, wie viele Männer mich ausgeführt haben, und was die betrifft, die mich danach noch mal wiedersehen wollten … na, schweigen wir lieber.
Allzu oft habe ich Hebe kein Alibi zu geben brauchen. Gerry sah ich selten, so dass er mich nicht fragen konnte, ob wir uns gut im Odeon amüsiert hätten oder ob das Essen im Café Rouge gut gewesen sei. Er hat nie nachgehakt, ich meine, er hat nie angerufen und gefragt, ob ich wirklich mit Hebe zusammen war. Ich denke mir, dass er nichts geahnt hat. Es gehörte einiges dazu, ihn auch nur andeutungsweise misstrauisch zu machen, er war so vertrauensselig. Ob ich Gewissensbisse hatte? Früher mal hatte ich ein Gewissen, aber anscheinend ist es mir abhandengekommen. Wenn man so viel allein ist, stumpft alles in einem ab, auch das Gewissen. Früher oder später ist einem alles egal.
Ich hatte vorher so was noch nie gemacht, und auch für Hebe musste ich kaum lügen. Natürlich hab ich ihr alles Mögliche versprechen müssen – nicht ans Telefon zu gehen zum Beispiel, wenn wir angeblich irgendwo unterwegs waren, sondern auf den Anrufbeantworter zu schalten und mir zu merken, wann und wo wir
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