Das Geburtstagsgeschenk
Neuigkeiten oder Näheres über Erlebnisse oder Eskapaden des Betreffenden, erwarten schmerzliche Todesnachrichten oder Katastrophenmeldungen. Auf so etwas war Iris zwar nicht aus, aber Ivors knappe Antwort befriedigte sie auch nicht.
»Und? Hat sie sich gefreut?«
»Natürlich. Sie erzählt mir seit Monaten, dass sie Perlen liebt. Klar hat sie sich gefreut.«
Ich erwähne das, weil die Perlen in den kommenden Ereignissen eine wichtige Rolle spielen, allerdings erst viel später, erst in jener ruhigen Phase, als das Geburtstagsgeschenk (das andere, meine ich) scheinbar Vergangenheit war und Ivor dachte, alles sei überstanden, die entsetzliche Furcht sei ein für allemal vorbei und nichts dergleichen – die schlaflosen Nächte und die panische Angst vor der Presse – werde noch einmal wiederkommen. Gerry Furnal war mittlerweile zum zweiten Mal verheiratet, Justin wurde älter und würde bald eine Stiefschwester bekommen. In all den Jahren mussten diese Perlen in ihrem schwarzen, mit Samt ausgeschlagenen Lederetui in einer Schublade irgendwo in Gerry Furnals Vororthaus gelegen haben oder in Jane Athertons Handtasche hin und her gereist sein, von Furnal kommentarlos zur Kenntnis genommen, so wie er Hebes übrigen Schmuck zur Kenntnis genommen hatte, den Ramsch aus den Oxfam-Läden und von den Marktständen an der Costa Brava. Wenn sie auch als Lösegeld für einen König wohl nicht getaugt hätten (wie es in einer englischen Redensart heißt, wenn man von einer exorbitant hohen Summe spricht), waren sie locker so viel wert wie sämtliche Möbel und alles Drum und Dran in Gerry Furnals Haus.
Viel später, als die Zeit des Beichtens gekommen war, die Zeit der verzweifelten Suche nach Rat und Hilfe, erzählte mir Ivor, wie er Lloyd Freeman noch einmal getroffen hatte, auf einer Party von Nicola Ross. Nicola gab ständig Partys, sie brauchte dazu keine besonderen Anlässe wie einen Geburtstag oder Weihnachten. Iris und ich waren auch eingeladen, hatten aber keinen Babysitter auftreiben können.
Schüchterne Leute kommen immer früh zu einer Party, denn wenn sie zu den Ersten gehören, brauchen sie sich nicht in einen Raum zu wagen, der schon voll unbekannter Gäste ist. Ivor, für den Schüchternheit ein Fremdwort war, kam an diesem Tag erst, als die Party schon seit einer Stunde im Gang war, und gedachte dafür umso länger zu bleiben. Nicola lud immer zu viele Leute ein, und es herrschte drangvolle Enge. Ivor zwängte sich durch die Menge, machte einen Bogen um Gäste, mit denen er nicht sprechen wollte, weil sie ihn langweilten, und stand plötzlich Lloyd gegenüber. Sie hätten die üblichen unverbindlichen Worte gewechselt, sagte Ivor, und dann habe er beschlossen, Lloyd auf der Stelle seinen Vorschlag zu machen. Mit Dermot Lynch hatte er schon gesprochen, und der war einverstanden.
Eine Bedienung vom Cateringservice ging herum und füllte die Gläser, und beide ließen sich Merlot nachschenken. Ivor, der damals ziemlich enthaltsam war, trank auf Partys immer sehr viel, was man ihm aber, soweit ich das beurteilen kann, nie anmerkte. Bei Lloyd, sagte er, habe er den Eindruck gehabt, dass der sich gern volllaufen ließ, wenn es ihn nichts kostete. Ivor erinnerte ihn an das Gespräch in Nicolas Garderobe, wo Lloyd ihm von seiner Taxifirma erzählt hatte, und fragte, ob er einen Auftrag für ihn übernehmen würde. Er brauche einen Schlitten der Extraklasse (seine Worte), so etwas wie einen schwarzen Mercedes mit geschwärzten Fenstern im Fond. Er sollte an einem Freitag in einigen Wochen eine Frau zu einem Haus in Hampstead fahren. Es würde auch noch ein zweiter Fahrer dabei sein.
»Klingt gut«, sagte Lloyd. »Wie weit?«
»Acht, neun Kilometer. Höchstens. Fünfhundert Pfund pro Mann.«
Lloyd wurde sehr nachdenklich. »Wo ist der Haken?«
»Es gibt keinen«, sagte Ivor. »Aber möglicherweise Komplikationen.«
»Rufen Sie mich doch an. Ich muss jetzt gehen. Meine Freundin sucht mich.«
Und da war sie schon, nahm Lloyd beim Arm und zog ihn weg. An jenem Abend sah Ivor sie zum ersten Mal, eine bildhübsche dunkelhaarige Weiße, die spanisch wirkte oder portugiesisch, mit einem prachtvollen Busen unter einem tief ausgeschnittenen Top. Von den Fesseln, die Ivor später so bewunderte, war damals nichts zu sehen. Ivor registrierte den Busen, wie das jeder Mann getan hätte, das schöne Gesicht, die vollen roten Lippen, aber sie war nicht sein Typ, und er dachte schnell wieder an die grazile Hebe, ihre
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