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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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ich einer so großen Selbsttäuschung fähig wäre. Ich besitze nicht sehr viel Phantasie. Die Wahrheit kam letztlich erschütternd deutlich durch die Tagebuchaufzeichnungen der armen Jane zutage – falls es die Wahrheit war und nicht das, was sie durch die verzerrende Linse ihres Selbstmitleids sah. Jane war die Freundin, die sich bereitgefunden hatte, Gerry zu täuschen, indem sie ihm notfalls überzeugende Gründe für Hebes Abwesenheit lieferte, und es dauerte nicht lange, bis wir durch Ivor von ihr erfuhren. Es war Iris, die diese uns bis dahin unbekannte Person die ›Alibi-Lady‹ nannte.
    Ich erinnere mich, dass ich damals sagte: »Alibi – das klingt eindeutig nach Polizei, aber ob die das Wort überhaupt benutzen?«
    »Wirkt beinah arabisch.«
    Ich schlug es nach. »Alibi (lat. zu alibi ›anderswo‹ von alius – ›ein ander er‹). «
    »Passt doch«, sagte Iris. »Die Alibi-Lady sagt Gerry Furnal, dass Hebe mit ihr zusammen war, dabei war sie in Wirklichkeit anderswo – nämlich bei Ivor. Und allzu oft wird sie es gar nicht zu sagen brauchen, denn so häufig werden Gerry und sie sich nicht begegnen. Wie mag ihr dabei zumute sein?«
    »Sie sagt sich wahrscheinlich, dass sie zu Hebe halten muss. Deren Mann gegenüber ist sie schließlich zu nichts verpflichtet.«
    »Weißt du was, Rob? Ich entwickle ein ausgesprochen ungesundes Interesse an all diesen Intrigen. Das muss aufhören.«
    Ich gab ihr recht. Wir hätten an anderes zu denken, versicherten wir uns gegenseitig und schlossen eine Art Pakt, an den wir uns ziemlich gewissenhaft hielten, nicht mehr über Ivor und seine geheime Liebschaft zu spekulieren. Wir würden ihm, wie versprochen, unser Haus zur Verfügung stellen und wegfahren, und dann sollte er machen, was er wollte. Als er nach Sandy Caxtons Beerdigung bei uns gewesen war, hatte ich ihm die Schlüssel gegeben, er sollte sie, wenn er das Haus verließ, durch den Briefschlitz stecken. Später ließen wir uns dann doch sehr viel intensiver auf die Sache ein, notgedrungen, denn sonst wäre er ganz allein gewesen, hätte es ganz allein tragen müssen – zumindest bis Juliet Case auf der Bildfläche erschien.
    An jenem berühmten Freitag stand zum ersten Mal nichts über den armen Sandy auf der ersten Seite unserer Tageszeitung. Der Aufmacher war, dass der Multimillionär Damian Mason ein nordenglisches Fußballteam kaufen wollte, sie brachten ein Foto von ihm, einem kleinen untersetzten Mann mit Bärtchen, und seiner Frau Kelly in Shorts und knappem T-Shirt. Iris hatte ihre Grippe so gut wie überwunden, es war der erste Tag, an dem sie morgens aufwachte und sich wieder besser fühlte. Nadine quengelte ein bisschen herum, aber sonst fehlte ihr offenbar nichts, deshalb machten wir uns, nachdem ich ein paar wichtige Telefongespräche mit Mandanten erledigt hatte, auf den Weg nach Monks Cravery in Norfolk. Vorher bezog Iris noch unser breites Bett frisch und deckte, auch wenn ich sagte, es sei nicht nötig, den Kaffee- oder Blutfleck mit einem Läufer aus Nadines Zimmer ab.
    Es war herrliches Wetter, der erste echte Frühlingstag.

4
    Ich habe mich hingesetzt und angefangen, alles aufzuschreiben, weil ich diese Vorahnung hatte. Das war an dem Tag, als Hebe mich wieder mal um ein Alibi bat. Das machte sie schon lange, und ich machte es auch immer mit, aber diesmal war es anders, wichtiger als alle vorherigen. Einmal, weil es für eine längere Zeit als sonst war, und zum Zweiten, weil sie Geburtstag hatte. Ich meine – wohin sie ging und was sie da machte, das war ihr Geburtstagsgeschenk.
    Als sie mir das sagte, hatte ich gleich ein ungutes Gefühl. Meine Vorahnung sagte mir, dass etwas ganz schrecklich schiefgehen würde. Ich würde mich vorsehen müssen. Und deshalb habe ich beschlossen, alles aufzuschreiben, nicht in einem Notizbuch, sondern auf losen Blättern, die kann ich zusammenklammern und in einen Schuhkarton packen, und den stelle ich dann in den einzigen richtigen Schrank, den ich in dieser winzigen Bude habe. Und wenn ich irgendwann ausziehe, nehme ich ihn mit. Schuhkartons sind lästig, und im Schuhgeschäft wirst du heute meist gefragt, ob du den Karton haben willst, kaum einer will ihn, und da überlegt man sich doch, was die Läden mit diesen Hunderten, Tausenden, Millionen von Schuhkartons machen. Bei meinem letzten Paar Schuhe haben sie mir den Karton förmlich aufgedrängt – der Laden sieht mich nicht wieder! und deshalb hab ich jetzt einen für meine Aufzeichnungen.
    Dass

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