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Das Gegenkreuz

Das Gegenkreuz

Titel: Das Gegenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sterbenden Engels war, die durch meinen Kopf schrillte, wusste ich nicht. Ich vernahm nur ein schreckliches Geräusch, das meinen Kopf zu zerreißen drohte. Es war so laut und widerlich, dass ich davon sogar Schmerzen bekam und glaubte, es würden einige Gehirnwindungen zerstört.
    Die Schmerzen ebbten ab. Das Geräusch blieb, und es würde so lange bleiben, bis die Gestalt vor mir nicht mehr am Leben war, denn sie hatte die Macht des echten Kreuzes zu spüren bekommen wie der Boxer einen Volltreffer, der ihn auf die Bretter geschickt hatte.
    Ich war etwas zurückgewichen. Auf diese Art und Weise sah ich den Engel besser.
    Stand er oder schwebte er vor mir?
    Es gelang mir nicht, dies genau zu bestimmen. Jedenfalls war er durch das helle Licht des Kreuzes völlig verändert worden und trotzdem noch der Gleiche.
    Nur glich er jetzt einem starren Drahtgestell, das von den hellen Lichtleisten umgeben war, und die Schreie hörte ich nicht mehr. Dafür sah ich jetzt die Funken, die aus dem Licht spritzten. Sogar ein leises Knistern drang an meine Ohren, und wenig später erlebte ich das Ende eines ungewöhnlichen Engels mit, der nie mehr zurückkehren würde.
    Er zerschmolz vor meinen Augen. Es war ein Phänomen. Es sah so aus, als würde sich das Licht an bestimmten Stellen zusammenziehen, sodass sich Tropfen bildeten, die der Schwerkraft gehorchen mussten und zu Boden klatschten wie flüssiges Metall. Auch deren Helligkeit nahm ab. Es sah so aus, als würden sie verglühen.
    Ich holte tief Luft. Auch wenn mich der Kampf nicht viel Kraft gekostet hatte, allein diesen Vorgang mitzuerleben hatte bei mir schon einen gewissen Eindruck hinterlassen. Auch meine Beine zitterten leicht. So brauchte ich eine gewisse Weile, um mich wieder zu erholen.
    Einen Engel hatte ich in ihrer eigenen Dimension vernichtet. Er war auch zugleich der Schutzengel des Mannes gewesen, der in seinem hochlehnigen Stuhl saß. Von diesem Mann hatte ich bisher keinen Körper gesehen, sondern nur das von Falten gezeichnete Gesicht, die sich darin verteilten wie kleine zittrige Gräben.
    Ich ging zu ihm und blieb auch vor ihm stehen. »Sie haben es gesehen, Mike, es ist aus mit...«
    Etwas stimmte nicht!
    »Mike?« Es war ja nicht unbedingt hell hier, und deshalb ging ich auf ihn zu, um ihn mir aus der Nähe anzuschauen.
    Klar, er saß noch auf seinem Stuhl, aber der Kopf war nicht mehr nach vorn gerichtet. Er war jetzt zur rechten Seite hin gesunken, und Mike Cimino machte auf mich den Eindruck eines Menschen, der sehr müde geworden war.
    Daran glaubte ich nicht. Ich fasste seinen Kopf unter dem Kinn und drehte ihn wieder in die andere Richtung. Dabei fiel mir auch der Ausdruck seiner leblosen Augen auf, und das konnte nur eines bedeuten.
    Mike war tot.
    Der Umhang, der aussah wie ein zu großer Friseurkittel, beulte sich vorn aus. Es zeigte sich zudem dort eine Öffnung, durch die ich gegen den Körper schaute.
    Haut? Gab es die? Zweifel stiegen in mir hoch. Es sei denn, der Mann hätte eine graue Haut besessen, aber ich sah keinen Körper, als ich den Mantel weiter öffnete.
    Alte graue Knochen ohne Fleisch. Mike Cimino war ein Skelett mit einem menschlichen Kopf gewesen!
    Bei diesem Anblick wurde mir richtig bewusst, in welch einer Welt ich mich befand. Die Engel, oder welche Magie auch immer, hatten aus den Menschen Monster werden lassen, zumindest Veränderte. Sie waren für die toten Engel nichts anderes als Spielzeug – dabei gaben sie sich als ihre Schutzengel aus.
    Die Kehle wurde mir eng, als ich daran dachte. Ich faltete den Kittel wieder zusammen und drehte mich um. Mir war nicht eben übel, aber auch nicht sehr wohl.
    Dann schaute ich mir die Stelle an, wo ich den seltsamen Engel vernichtet hatte. Es war nicht viel zu sehen. Die Reste lagen geschmolzen auf dem Boden und waren mittlerweile erkaltet, sodass sie keine weiche Masse mehr bildeten.
    Das Wesen war tot, der Halbmensch ebenfalls, ich hatte überlebt, aber ich wusste auch, dass dieser Fall noch längst nicht beendet war. Wir standen erst am Anfang, und in diesen Gedanken schloss ich meine Freunde Suko und Bill mit ein.
    Kaum waren mir die Namen in den Sinn gekommen, als mir siedend heiß etwas einfiel. Da schoss mir das Blut in den Kopf, und ich dachte an meinen letzten Blick aus dem Fenster.
    Den wiederholte ich jetzt und sah das Gleiche wie schon mal. Es gab die beiden nicht mehr unten auf dem Hof. Sie waren gegangen, und es stellte sich die Frage, ob sie es freiwillig getan

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