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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirijam Muentefering
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schleppt Knabberzeugs an, und ich beginne gerade, es richtig gemütlich zu finden, als Angela auf die Uhr schaut und sich erhebt.
    »So, ihr zwei, jetzt muss ich los. Die Probe heute wird besonders hart.« Sie steckt die Fotos in ihre Tasche und wirft sich im Flur ihre Jacke über.
    »Ich geh dann auch mal«, brumme ich undeutlich und will mich erheben, aber Michelins Hand drückt mich unnachgiebig zurück in die Kissen.
    »Du willst gehen? Und zu Hause Trübsal blasen? Oder, noch schlimmer, dich lächerlich machen, indem du die halbe Nacht im Netz rumhängst und auf eine wartest, die unter einem anderen Namen schon wieder eine Neue am Haken hat? Nix da! Ich sag dir, was du machen wirst: Du wirst hier mit mir auf meinem Sofa sitzen und dir ein paar gute Videos reinziehen.«
    »Gute Videos?«, wiederhole ich stumpf. Ausnahmsweise tut es mir mal richtig gut, dass sie mich durchschaut und das so schonungslos ausspricht.
    »Keine Angst! Kein neumodischer Kram! Wie wäre es mit ein paar guten Stücken aus meiner Hitchcock-Sammlung? ›Vertigo‹ zum Beispiel?«
    »Du hast nicht zufällig einen guten Krimi? Aus der schwarzen Serie?« Ich versuche, das Beste rauszuschlagen.
    Michelin grinst. Weil sie gewonnen hat und ich mich nicht einmal zur Wehr gesetzt habe. Sie mag es, wenn ihr das Siegen leicht gemacht wird. Ich glaube, sie zwingt andere Menschen gerne zu ihrem Glück.
    »Du suchst aus, versprochen. Wir kuscheln uns unter eine Decke und gucken uns einen echten Schwarzweiß-Schocker an.«
    Warum muss mir diese Bemerkung mit dem Kuscheln unter einer Decke nur wieder so grenzenlos unangenehm sein? Ich schaff es einfach nicht, dazu ganz schlicht den Mund zu halten und wende mich mit einem übertriebenen Grinsen an Angela, die gerade im Türrahmen erschienen ist: »Keine Angst. Was das Kuscheln angeht, besteht bei mir ja keine Gefahr.«
    Angela lächelt amüsiert, und Michelin macht ihr Jetzt-ist-ihr-dieser-Lesben-Kram-wieder-peinlich-Gesicht.
    »Und wieso nicht, wenn ich fragen darf?«, möchte Angela gelassen wissen.
    »Weil ich …«, beginne ich und finde das Wort ›heterosexuell‹ plötzlich vollkommen fehl am Platz. Damit scheine ich in letzter Zeit ganz allgemein und heute ganz im Speziellen Probleme zu haben. »Weil ich nicht …«, versuche ich es deshalb von der anderen Seite. Aber auch das ist unpassend. Ich kann doch zu einem Frauenpaar nicht sagen: ›Weil ich nicht lesbisch bin!‹ Das wäre pure Diskriminierung. Oder?
    Ich bekomme also mal wieder einen roten Kopf und sehe beide ratlos an.
    »Pass nur auf, wenn du dich so in Sicherheit wiegst«, rät mir Angela und schultert ihre Tasche. »Das hätte ich vor einem Jahr wohl auch noch getan.« Dann gibt sie Michelin noch einen Kuss, winkt kurz und ist zur Wohnungstür hinaus verschwunden.
    Michelin grinst von einem Ohr zum anderen, während ich betreten die Schalen mit den Erdnüssen und den Kräckern auf dem Tisch herumschiebe.
    »Ich hol noch die Getränke«, teilt Michelin mir mit und ist gleich darauf schon wieder mit zwei Bierflaschen und einer Colabottle zurück. »Bock auf Mix?«
    »Gerne.«
    Wir gießen Bier und Cola in die Gläser und sehen dem Schaum beim Wachsen und Zusammenfallen zu.
    »Was meinte sie denn mit der ›Sicherheit‹, in der ich mich angeblich wiege?«, will ich schließlich wissen, als Michelin den Wunschfilm eingelegt hat und nun tatsächlich eine Decke über uns ausbreitet.
    Meine Freundin und Arbeitskollegin stutzt einen Augenblick, und wieder zittern ihre Mundwinkel verdächtig. Doch sie kann sich zusammenreißen.
    »Was fragst du mich das?«, antwortet sie schlicht und greift nach der Fernbedienung.

4 . Beim Verlieben versteht sich Ausschließlichkeit wie von selbst
    Einander ganz und gar kennen. Die Gedanken des anderen erraten war ihr Lieblingsspiel. Ihr Gelächter ließ sie die feine Bitternis vergessen, die sie so erfuhren. Denn lange schon sprachen sie es nicht mehr aus, wenn der andere falsch geraten hatte.
    (Seite 52 des Romans »Von der Umkehr der Endgültigkeit«, Patricia Stracciatella)
    D er Baum vor meinem Fenster regt sich mächtig auf.
    Das liegt, so sage ich mir ständig selbst, an den Herbststürmen. Die rütteln auch an anderen Bäumen und an Hausdächern und Regenschirmen und wahrscheinlich auch an meiner Standhaftigkeit.
    Sich etwas fest vorzunehmen ist das eine. Es einzuhalten, obwohl man vor unterdrückter Neugierde eigentlich unter ein Sauerstoffzelt gehört, ist etwas ganz anderes.
    Eine Woche.
    Eine

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