Das Gegenteil von Schokolade - Roman
sicher – ab und zu einen gurrenden Unterton annimmt.
Antonie nickt in Richtung der Theater-Flyer, die noch neben mir auf dem Tisch liegen. »Das scheint ein wirklich interessantes Stück zu sein. Spielst du da mit?«
Ich habe mit den drei Kaugummis zu kämpfen und bringe nur ein gedämpftes »Nö«, kombiniert mit einem Kopfschütteln und abwehrendem Grinsen zu Stande.
Sie lächelt.
»Dann spielt aber bestimmt deine Freundin da mit?«
Jetzt lacht sie sogar. Sie lacht. Wie macht sie das wohl? Über so ein Thema zu reden und einfach zu lachen. Ich merke doch, dass sie auf keinen Fall nichts sagenden Smalltalk betreibt. Sie versucht hier ganz offenbar, die Lage zu checken. Und ich bin mit einem Mal derart störrisch, dass ich auf ihr Zaunpfahlgeschwenke noch nicht einmal ansatzweise eingehe. Sag doch was! fauche ich mich in Gedanken selbst an. Sag doch, dass du gerade von Lothar getrennt bist und Michelin deine Arbeitskollegin ist und deren Lebensgefährtin …
»Hast du überhaupt eine Freundin?«, fährt sie da fort, und ihre Stimme klingt tatsächlich so, als sei ihre Frage geprägt von zwischenmenschlichem Interesse, das nichts damit zu tun hat, dass sie eindeutig mit mir flirtet.
»Nein«, sage ich schlicht und komme mir vor wie eine Hochstaplerin.
Aber täusche ich mich, oder ist da in Antonies Augen so etwas wie Befriedigung zu lesen?
Ich täusche mich wahrscheinlich. Mein Gott, ich werde mich doch wohl hoffentlich täuschen! Hoffentlich?
»Ich muss …« hier raus!, verschlucke ich zum Glück gerade noch.
Antonie schaut auf die Uhr und reckt sich einmal genüsslich.
»Ja, für mich wird es auch Zeit.«
Wir erheben uns von unseren Stühlen und gehen zur Kasse, um dort zu zahlen. Antonie vor mir. Eine schlanke, sportliche Gestalt mit hübschem Nacken.
Ich versenke meinen Blick in mein Portemonnaie.
Aus lauter Verwirrung gebe ich viel zu viel Trinkgeld und bekomme zusammen mit einem fröhlichen Grinsen ein verschnürtes Päckchen über die Glastheke geschoben, in dem sich »paar Knochen« für Loulou befinden.
An der Tür lege ich die Flyer in den Ständer und muss dann zu meiner unglaublichen Verlegenheit feststellen, dass Antonie auf mich wartet und mir die Tür aufhält.
Dabei ist das so ungewöhnlich gar nicht. Ich halte auch oft anderen die Tür auf. Ich habe Lothar hin und wieder die Tür aufgehalten. Ich halte Michelin die Tür auf oder auch anderen Frauen. Ja, auch ich halte hin und wieder anderen Frauen Türen auf. Warum also bekomme ich jetzt einen Kopf wie ein amerikanischer Wasserhydrant?
Antonie wendet sich im Gehen noch einmal zurück zu mir und schaut mich an. Es ist ein Blick ohne Frage. Wie ein Ausrufezeichen hinter einem Satz. Grau. Denke ich. Ihre Augen könnten grau sein.
Weil ich Angelas Wagen vor der Tür sehe, schelle ich lieber und benutze nicht meinen Schlüssel. Immerhin ist die Bürozeit schon um. Und nach fünf ist diese Wohnungstür nicht mehr der Eingang zum Arbeitszimmer, sondern die Tür zu Michelins Privatsphäre.
Angela öffnet mir und zwinkert mir verschwörerisch zu.
»Falls es Frauke ist, sie soll reinkommen und auspacken!«, höre ich Michelin aus dem Bad rufen. »Aber nicht bevor ich da bin, bitte!«
Ich komme also rein und stakse unter lustigem Geplänkel mit Angela in die Küche. Der große, behaglich eingerichtete Raum ist das Herz der Wohnung. Hier versammeln wir uns immer, wenn es etwas zu besprechen gibt, etwas zu feiern oder zu diskutieren.
Loulou schreitet würdevoll ins Wohnzimmer und streckt sich auf dem Teppich aus, mit dem Hinterteil in meine Richtung – um mir so richtig zu zeigen, was sie von Tagen wie diesem hält.
Es dauert keine zwei Minuten, da fegt Michelin um die Ecke und prallt fast gegen mich, so schwungvoll ist sie.
Sie strahlt übers ganze Gesicht in froher Erwartung auf die spannende Geschichte, die sie sich offenbar von mir erhofft.
»Boah!«, bricht es aus ihr heraus. »Du riechst ja wie in der Friteuse gesessen. Wart ihr etwa in einer Pommesbude zum Essen?«
»Ja«, antworte ich, schief grinsend.
»Na, und? Erzähl mal! Wie ist sie so!«
»Das weiß ich leider nicht«, presse ich heraus. Es fällt mir wirklich unglaublich schwer.
Michelin schaut verwundert. Nicht zu verdenken.
»Wie jetzt?«, tastet sie sich heran. Angela macht das dazu passende forschende Gesicht.
»Sie ist nicht gekommen.«
»Was?«, wispert Michelin stimmlos. Sie sieht von einer Sekunde zur nächsten richtig geschockt aus. »Was? Aber … das
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