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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirijam Muentefering
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Sie stehen, sehen auf ihre Armbanduhren oder starren auf die gegenüberliegende Straßenseite. Oder auf ihre Schuhe. Oder auf Loulou. Die gähnt mittlerweile schon.
    Seit einer halben Stunde stehen wir schon hier.
    Eine Menge junger Frauen gehen vorbei. Große, kleine, dicke, dünne, schüchtern wirkende, bebrillte, hochtoupierte, gelangweilte, eilige, lächelnde, mies gelaunte …
    Keine grauen Augen.
    Ich habe mich ganz sicher nicht in der Uhrzeit vertan.
    Wie lange wartet man in so einer Situation?
    Eine halbe Stunde? Die ist dicke um!
    Eine Stunde? Dann komme ich mir blöd vor.
    Ich beschließe, noch genau drei Minuten zu warten, dann werde ich gehen.
    Ins Büro.
    Dann kann ich noch ein paar Telefonate erledigen oder das Material sichten, das ich in den neuen Beitrag schneiden will.
    Michelin wird da sein.
    Ich sehe mich ins Büro gehen, Michelin an ihrem Schreibtisch und die Augen rund vor Verwunderung. Schon zurück? Ich meine, … das war ja kein besonders langes Treffen, wird sie sagen oder so etwas Ähnliches. Und wahrscheinlich wird sie noch etwas in dieser Art anschließen: Ach, mach dir nichts draus! Bei uns Lesben ist das manchmal so, wir machen so was. Ja, echt. Wir Lesben, wir chatten einfach mit wildfremden Leuten … na ja, natürlich besonders gerne mit Frauen … und dass da eine Art Vertrauensverhältnis entsteht, das bilden sich die anderen ja nun echt nur ein. Ich meine, wie soll denn über ein Medium wie das Internet so etwas wie Nähe entstehen, also, ich bitte dich, Frauke. Und wen wundert es da, wenn eine dann eine Verabredung vorschlägt und ausmacht und dann einfach nicht kommt?! So was passiert eben in unseren Kreisen. Ja, genau genommen hätte ich dir das ja auch vorher schon sagen können, damit du Bescheid weißt.
    Nein, danke, auf so eine Unterhaltung kann ich echt verzichten.
    Habe keine Lust, mich schon wieder darüber belehren zu lassen, was Lesben tun und was Lesben lassen. Ehrlich gesagt, möchte ich diese Pleite am liebsten vergessen.
    Mein Blick fällt auf die Toreinfahrt gegenüber, an der ein großes Schild hängt: Veterinär.
    Das muss der Tierarzt sein, von dem die Blonde neulich Morgen gesprochen hat.
    Ein Blick in meine Immer-dabei-Umhängetasche. Der Impfpass ist drin. Also nehme ich Loulous Leine kürzer und überquere mit ihr die Straße.
    Ich gehe einfach so plötzlich los, als hätte ich die ganze Zeit nur hier gestanden, um jetzt plötzlich auf die Eingangstür eines Tierarztes zuzusteuern.
    Als hätte ich nicht mehr als dreißig Minuten auf einem Fleck verharrt, mir das erste Treffen ausmalend, nervös, mit schweißnassen Händen.
    Einfach so losgehen und mich wieder einreihen in den Strom der eilenden, schlendernden Menschen der Stadt, die alle nicht warten. Auf niemanden.
    Ich auch nicht mehr.
    Ich schätze mal, das war es dann auch.
    Betäubt melde ich Loulou und mich an der Theke an und fülle eine Karte aus, auf der oben steht: Neue Patientin / neuer Patient.
    So abwesend bin ich noch, dass ich dorthin, wo Loulous Name und Rassezugehörigkeit hingehört, meinen Namen und Adresse aufschreibe.
    Die dicke Frau hinter der Theke macht mich lächelnd darauf aufmerksam und beugt sich über ihren gewaltigen Busen und die breite Absperrung hinweg in Richtung Loulou.
    »So, so, du wohnst also auf der Schützenstraße«, sagt sie zu meiner Kleinen mit einer Stimme, die auch einer Mensch gewordenen Maus hätte gehören können und die von mindestens drei Kilo Leckerchen erzählt, die diese Piepsstimmenfrau selbstverständlich immer mit sich in den Taschen ihres zeltgroßen Kittels herumträgt.
    Und Loulou, die Opportunistin, hat nichts Eiligeres zu tun, als sich auf die Hinterbeine zu setzen und mit der einen Vorderpfote ›Winke, winke‹ zu zelebrieren. Das hat Lothar ihr eher unabsichtlich beigebracht, während er die beiden Katzen auf der Küchenfensterbank fütterte.
    Alle Umstehenden brechen in Entzückenslaute aus, und Loulou sonnt sich in der ungeteilten Aufmerksamkeit.
    Nachdem wir dem dankbaren Publikum, nämlich den älteren Besitzern eines Wellensittichs, einer Dame mit zwei Perserkatzen, einem Mann mit zitterndem Dobermann und einem Mädchen mit zerzaust wirkendem Meerschweinchen, noch ›Peng, tot ist der Hund!‹ und ›Schäm dich, Loulou!‹ präsentiert haben, sitze ich in null Komma nichts in eine angeregte Unterhaltung vertieft inmitten der Wartenden.
    Trotzdem bessert sich meine Laune nur unwesentlich, während ich mit der Perserkatzendame darüber

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