Das Gegenteil von Schokolade - Roman
spreche, wie unterschiedlich Hunde und Katzen sind und wieso Tiere die besseren Menschen sein könnten, wenn wir sie nur ließen.
Die letzte Woche war für mich einfach ein bisschen zu sehr durch Warten geprägt.
Warten, bis es Donnerstag wurde. Warten, bis es Zeit war, sich umzuziehen. Bis es Zeit war, loszugehen. Warten am Treffpunkt, der ausgerechnet eine Bushaltestelle war, ein Ort, der vor lauter Warten nur so trieft. Und nun das Warten darauf, dass der eigene Name aufgerufen wird.
Wenigstens wissen wir hier, worauf wir warten. Eine Überraschung wird es höchstwahrscheinlich nicht geben. Und es ist tröstlich zu wissen, dass dieses Warten von Erfolg gekrönt sein wird.
Es ist ganz sicher davon auszugehen, dass ich irgendwann an die Reihe kommen werde und Loulou ihre notwendigen Spritzen verpasst bekommt. Der Tierarzt wird sich nicht zur Hintertür rausstehlen und heimlich davonmachen.
Da öffnet sich die Tür eines der Behandlungszimmer, und ein Mann mit einem steifbeinigen Dackel kommt heraus. Der Hund hat ein Pflaster über den kompletten Rücken. Der Mann verabschiedet sich noch nach hinten in den Raum hinein und schlurft dann mit seinem Kameraden zur Theke, um zu zahlen.
»Schäferhund«, knurrt er in meine Richtung und wirft dem zitternden Dobermann einen misstrauischen Blick zu. »Einfach zugepackt.«
»Für Kramer?!«, ertönt eine helle Stimme von der offen stehenden Tür her, und der Dobermann-Besitzer springt aus seinem Schalensitz. Ich wette, wenn er nur halb so nervös wäre, ginge es seinem Hund doppelt so gut.
Als ich aufschaue, sehe ich im Türrahmen meine Bekanntschaft von neulich Morgen stehen.
In dem weißen Kittel, den sie trägt, sieht sie älter und förmlicher aus, als ich sie in Erinnerung hatte.
Aber ihr Blick ist der Gleiche. Er saugt sich wie ein Gumminoppen an mir fest. Sie lächelt.
»Oh, hallo«, formen ihre Lippen eher, als dass sie es sag t. Dann hilft sie Herrn Kramer, den am ganzen Körper bebenden Dobermann ins Behandlungszimmer zu schleifen.
Sie kommt immer raus aus dem Raum und sieht mich an, wenn sie jemand Neuen aufruft. Vielleicht bilde ich mir das nur ein? Aber ich habe den Eindruck, sie sieht nur mich an. Speziell mich.
Schon bald bin ich nicht mehr die Letzte in der Reihe der Wartenden. Es kommen auf einen Schlag drei Leute mit Hunden, und dann kleckern zwei Katzenbesitzer hinterher und ein verrückt aussehender Typ, der in einer – wie er uns beruhigend mitteilt – ausbruchsicheren Transportbox ein Frettchenpaar mitbringt.
Kurz bevor ich dran bin, stürzt eine Frau in die Praxis und eilt im Laufschritt direkt durch die Tür neben der Theke, an der dick NUR FÜR TIERISCHE PATIENTEN UND PERSONAL ! steht.
»Antonie schon sauer?«, wirft sie im Vorbeirennen der dicken Frau zu. Doch die grinst nur.
Da öffnet sich wieder die Behandlungszimmertür und die inzwischen schon vertraute Stimme ruft: »Für Mönning?!«
Ich stehe auf, und Loulou folgt mir willig und ohne Scheu hinein in den Raum, den die meisten Patienten dort draußen meiden wie die Pest.
Der Tierarzt, Dr. Greve, steht mit dem Rücken zu mir und schreibt gerade noch etwas in eine Karteikarte.
»Schön, dass wir uns hier wiedersehen«, sagt die Blonde zu mir und tätschelt Loulous Kopf.
»Tja, wie gesagt … die Impfung stand an«, murmele ich.
»Und was meint Loulou dazu?« Sie kniet sich hin, um meinem Goldstück ins haarige Gesicht zu schauen. »Hm, Loulou, was hältst du davon, einen Pikser in den Nacken zu bekommen und dafür eine Menge leckerer Hundeschmackos von vorn?«
Loulou gibt ihr Einverständnis, indem ihre Zunge ausfährt und einmal quer übers Gesicht flitscht.
»Iiiih, bäh!«, spuckt die so Geherzte und richtet sich vorsichtshalber wieder auf.
Ich lache. Sie auch.
Unsere Augen begegnen sich.
Keine Ahnung, was das nun für eine Farbe sein soll. Können sich die Menschen nicht für eine bestimmte Farbe entscheiden? Ein eindeutiges Blau oder Braun oder Grün oder … jedenfalls eindeutig! Nicht so etwas, wo man immer hingucken muss. Weil es irritiert.
Die Tür wird aufgerissen, und die eilige Frau von gerade schlüpft herein. Ihr weißer Kittel ist falsch zugeknöpft, und dieser Anblick verstärkt ihren gehetzten Eindruck.
»Bin da«, flüstert sie der Blonden zu. »Sorry.«
Die Blonde nickt. Allerdings hat ihr Gesicht sich zusehends verfinstert.
»Du kannst also gehen«, schlägt die Gehetzte vor.
»Nett von dir, Britta, aber ich bleibe für diese Patientin noch
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