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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirijam Muentefering
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typisch für dich«, meint Katja dazu. »So was Antiquiertes, mein ich, in all deinem Technik-Kram. Bei dir passt nichts zueinander. Aber vielleicht eben deswegen gerade doch …«
    Ich werfe ihr einen entnervten Blick zu, hänge den Anzug aber gleich wieder an die Schranktür. Nach dieser Bemerkung werde ich heute an ihm bestimmt keinen Spaß mehr haben können.
    Stattdessen probiere ich es mal mit der dunkelgrünen Cordhose und dem beigefarbenen Rolli.
    »Ist das vielleicht besser?«
    »Besser?«
    »Als der antiquierte Anzug …«
    »Ma-han! Ich meinte damit doch nicht dein schickes Teil da, sondern den Spiegel.«
    »Oh.« Der von Oma geerbte Spiegel, in einem schnörkeligen goldbepinselten Rahmen.
    »Bist ein bisschen durch den Wind heute, hm?!« Katja hat eine Unmenge von Sommersprossen, die ihrem Gesicht etwas Niedliches geben und von denen sie genau deswegen immer behauptet hat, dass sie ihrer Beförderung zur Abteilungsleiterin jahrelang im Weg standen. Seit sie aber die Stelle nun endlich hat, leistet sie es sich endlich mal wieder, diesen naturgegebenen Charme mit einem provozierend frechen Krausen ihrer Nase zu kombinieren. Das sieht zum Schenkelklopfen aus. Aber ich kann es mir wirklich gerade noch verkneifen. Lachen ist heute nicht angesagt. Heute ist nämlich der Tag.
    Michelin hat nicht schlecht gestaunt, als ich ihr davon erzählte.
    Und Katja hat behauptet, dass sie das schon gewusst hätte, als ich das erste Mal ihr gegenüber Silbermond, ich meine Emma, erwähnt habe. Ich glaube, sie findet es irgendwie faszinierend, dass ich mich mit einer Lesbe treffe, die glaubt, dass ich auch eine bin.
    »Gender trouble ist doch in«, hat sie erst gestern noch am Telefon behauptet.
    Gestern, bevor ich mich wieder einmal, wie jeden Abend der vergangenen Woche, ins Internet einwählte, um dort Emma zu treffen.
    Inzwischen kennen wir uns schon ein ganzes Stück weit.
    »Umso schwerer für dich«, hat Michelin nur gemurmelt.
    Und sie hat ja Recht. Ja, sie hat Recht. Katja hat auch Recht – obwohl sie meine missliche Lage eher spannend zu finden scheint. Aber ihr habe ich es auch nicht erzählt. Das mit dem Teenager-Gefühl.
    Ich bin mir nicht sicher, ob sie es verstehen würde.
    Meine Cousine ist zurzeit nämlich ein wenig skeptisch, was derartige Empfindungen angeht. Sie ist durch elementare Feldforschung eine echte Expertin in Sachen Trennungen geworden und war diejenige, die direkt hinter Lothar und mir über unser Beziehungsende die meisten Tränen vergossen hat. ›Wenn ihr es nicht miteinander geschafft habt, wie soll ich es denn dann jemals hinbekommen?‹, hatte sie geheult.
    Das Ganze war etwas viel für sie, wie sie behauptete. Denn sie hatte erst wenige Wochen vorher die Scheidung von ihrem Mann Bernie ›überlebt‹. Meiner Ansicht nach hat sie aber auch die Auflösung ihrer kurzen Ehe – abgesehen von einem kleinen Küchengeräte-Aufteiltrauma – ohne großen Schaden ganz gut hinbekommen.
    »Emma hat es vorausgesagt!«, jammere ich und wühle in meinen Sommer-T-Shirts herum, die ich zu dieser Jahreszeit aber auf keinen Fall werde zur Geltung bringen können.
    »Was denn?«
    »Dass wir hysterisch vor unseren Kleiderschränken stehen und zu der Ansicht kommen werden, dass wir dringend neue Klamotten brauchen.«
    »Wir?«, grinst Katja.
    Ich halte kurz in meiner Inventur inne und schaue sie etwas kariert an.
    »Du meinst, sie wird das Problem nicht haben?«
    Katja zuckt die Achseln und feilt ungerührt weiter am Nagel ihres linken Daumens herum.
    Ich seufze. »Albern ist das, nicht? Vielleicht ist das ja nur schwer zu verstehen, aber ich möchte nicht, dass ich gleich beim ersten Eindruck danebenhaue. Alles andere wird schon schwer genug …« Vor allem, weil ich noch nicht einmal einen blassen Schimmer davon habe, wie ich es bloß anstellen soll, ihr die Wahrheit über mich zu sagen.
    Katja wippt mit dem übergeschlagenen Fuß, was ein Zeichen für ihre gehobene Laune ist und was mich noch zusätzlich zappelig macht. »Tja, Frauke, ich kenne mich mit Lesben nicht so gut aus wie du. Aber weißt du was, ich wette, es stellt sich raus, sie kennen die gleiche Mode wie wir. Spendierst du mir etwas von deinem Glitzerlack?«, fragt sie, während sie ihre Nägel noch einmal überpoliert.
    »Steht im Badezimmerschrank«, erwidere ich einsilbig. Der Gedanke an Nagellack macht mich heute aus irgendeinem Grund nervös.
    Alles an diesem Tag trägt dazu bei, dass ich mich beunruhigt fühle.
    Zuerst heute Morgen

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