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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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überstürzt, Merry. Dies …«
    »Ich kann auch das Sofa ausziehen«, bot ich verzweifelt an. »Es ist ein recht bequemes Bett, ich habe …« Ich hatte in jener verlorenen Woche eine Nacht darauf verbracht. Nachdem ich eine Flasche Wein geleert und danach eingeschlafen war. Samson hatte sich neben mir auf dem Boden zusammengerollt. »Es wäre ein Anfang«, sagte ich. »Einfach über Nacht im selben Gebäude zu sein. Es wäre das erste Mal seit …«
    »Neun Monaten«, ergänzte er. »Ich weiß. Das erste Mal in neun Monaten, dass wir eine Nacht zusammen verbringen.« Samson kam angetapst und legte sich mit einem entspannten Seufzer neben seinen Herrn.
    »Überleg’s dir«, sagte ich mit falscher Munterkeit. »Ich räume nur noch in der Küche auf. Wenn du trotzdem lieber gehen möchtest, kann ich dich zum Bahnhof fahren. Ich habe nicht viel getrunken.« Mit zitternden Händen räumte ich Teller und Gläser in die Spülmaschine und redete mir dabei ein, dass die Entscheidung des heutigen Abends nichts zu bedeuten hatte. Er hatte nicht vorgehabt zu bleiben, hatte keinen Waschbeutel mitgebracht. Hugh hatte noch nie gern Pläne in letzter Minute über den Haufen geworfen, er war immer gern vorbereitet.
    Ich hörte ihn leise mit dem Hund reden, hörte das Klopfen des Hundeschwanzes auf dem Holzboden. Er kam in die Küche. »Ich würde gern bleiben«, sagte er. »Aber nicht auf dem Sofa, diesmal nicht, Merry. Wenn ich wieder eine Nacht bei dir verbringe, dann richtig.« Das blaue Leuchten seiner Augen raubte mir den Atem. Er streckte eine Hand aus, um meine Haare von meinen Schultern zu streichen. »Du und ich, wir haben für derartige Albernheiten wie Sofas viel zu viel durchgemacht«, sagte er. »Einer der Coaches, zu dem ich gehe, ist sehr gut darin zu dechiffrieren, was da oben vor sich geht. Langsam kriege ich einen Teil meiner Schuldgefühle in den Griff.« Er führte seine Hand an seinen Kopf.
    »Schuldgefühle, weil du überlebt hast?«, fragte ich zögernd.
    Er nickte. »Ich sehe jetzt die Gesichter der Männer, die ich verloren habe, nicht mehr in meinen Träumen. Aber ich denke, ein paar Sitzungen brauche ich noch.«
    »Möchtest du, dass ich dich zu diesen Beratungsgesprächen begleite? Sobald die Ferien beginnen, habe ich frei.«
    »Das würdest du tun?«, fragte er erstaunt.
    »Natürlich würde ich das tun, wieso denn nicht?« Ich knallte die Tür des Geschirrspülers so heftig zu, dass die Teller vor Protest aneinanderstießen. »Du bist mein Mann. Wir sind noch immer verheiratet. Ich liebe dich. Und ich denke, dass auch du mich noch ein wenig liebst, sonst kämst du nicht zu Besuch zu mir. Ich habe mich dir wirklich nicht aufgedrängt, seit du mich verbannt hattest.«
    Er zuckte zusammen.
    »Ich möchte dabei mithelfen, dass wir wieder zusammenkommen, aber …« Erinnerungen an die Zeit, als er mich aus seinem Krankenzimmer geworfen hatte, kehrten zurück. Ich klammerte mich an die Arbeitstheke. »Aber ich habe einen guten Job hier. Ich habe Freunde, sehe einen Sinn in meinem Leben. Ich darf nicht zulassen, dass ich wieder verletzt werde. Ich möchte tun, was ich kann, um dir zu helfen – uns zu helfen, meine ich, ich möchte, dass wir …« Er bewegte sich so schnell, dass sein Mund schon auf meinem lag, ehe ich versucht hatte, alles loszuwerden, seine Hände packten mich und zogen mich an ihn heran. Es mochten neun Monate vergangen sein, aber mein Körper hatte seinen nicht vergessen. Seine Lippen schmeckten nach Wein und Schokomousse. Irgendwann müssen wir uns Richtung Schlafzimmer bewegt haben.
    »Was würde dein Coach dazu sagen?«, fragte ich, als mein Mund frei war.
    Seine Antwort war ein Schubs auf die Kissen. »Es wird eine kleine Werbeunterbrechung geben, während der ich dieses verdammte Ding abnehme.« Er tätschelte seine Prothese. »Der Physiotherapeut hat mich allerdings noch nicht auf das vorbereitet, was ich jetzt vorhabe.«
    Ich hatte den Stumpf seit Monaten nicht mehr gesehen, und obwohl ich dagegen arbeitete, verspannten sich meine Muskeln erwartungsvoll. Er musste es gespürt haben. »Es ist okay.« Er streichelte wieder mein Haar. »Alles ist verheilt. Du brauchst keine Angst zu haben, Merry.«
    Ich wollte mich gerade gegen dieses Wort wehren, aber dann wurde mir klar, wie groß meine Angst gewesen war. Monat um Monat. Dann sah ich das Bein, abgeschnitten direkt unter dem Knie, noch immer geschwollen am Stumpf, noch immer rosa und fleckig, aber sauberer und gepflegter,

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