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Das geheime Bild

Das geheime Bild

Titel: Das geheime Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliza Graham
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die Narben an ihren Armen versteckte. Die triste Farbe passte eigentlich gar nicht so schlecht zur Hautfarbe des Mädchens. In ihrer Schuluniform wirkte Olivia linkisch, und man sah ihr an, dass sie sich nicht wohlfühlte. Aber jetzt sah sie anders aus.
    »Sie ist verwandelt.« Jenny trat strahlend und erstaunt zurück. »Sie sind so geschickt.« Emily wäre es lieber gewesen, Jenny hätte sie beide allein gelassen. Tief in ihr geschah eine Umwälzung. Anfangs war Olivia für sie ein Mittel zum Zweck gewesen, um der Familie Schaden zuzufügen. Sie hatte lange gebraucht, um den feinen Riss zu finden, wo sie ansetzen konnte. Und sie erinnerte sich, wie sie sich erstaunt hatte hinsetzen müssen, als Sofia ihr von ihrer Familie erzählte. Es war wieder einer der üblichen schleppenden Abende im Klub von Reading gewesen. Sie hatten sich bei einer Diätcola unterhalten, während sie darauf warteten, dass mehr Männer kamen. Es hatte eine ganze Weile gedauert, Sofia so weit zu bekommen, dass sie von Olivia erzählte, aber Emily war geschickt darin, jemandem Vertraulichkeiten aus der Nase zu ziehen.
    »Ich wollte immer schon nach England kommen«, hatte Sofia erzählt. »Meine Mutter wäre achtundsechzig, als die Russen einmarschierten, beinahe rübergekommen. Aber sie blieb. Doch ihr Freund ging weg.«
    »Ist er je nach Prag zurückgekehrt?«
    Sofia schüttelte den Kopf. »Unseres Wissens nach nicht. Mama dachte immer, sie würde mal etwas über ihn lesen. Oder malte sich aus, dass er eines Tages zurückkäme, um seine Werke auszustellen. Er war als Junge ein wunderbarer Maler. Aber er scheint in England nicht berühmt geworden zu sein.«
    »Wie hieß er denn?« Emily sammelte die Namen von Leuten, wie andere Aufkleber sammelten. Man konnte nie wissen, wann man einen Namen gebrauchen konnte.
    »Karel Stastny. Er ließ meine Mutter schwanger zurück.« Dabei schürzte Sofia ihre Lippen.
    Karel Stastny. Emily blieb der Mund offen stehen, und sie hatte Mühe, ihre Überraschung zu verbergen. Gut, gut, gut. Emily wusste von ihrem Vater, dass Karel keinesfalls seine künstlerische Begabung weiterentwickelt hatte, sondern als Charles Statton Schuldirektor von Letchford geworden war. Eine Person, an der Emily sehr interessiert war. Sie fand es frappierend. So frappierend, dass es ihr fast nicht möglich war, das Gespräch mit Sofia fortzusetzen. Aber sie hatte sich dann doch wieder gefangen, nachdem sie sich entschuldigt hatte und auf die Toilette gegangen war, um über alles nachzudenken. Dann war Sofia also Hanas Tochter. Charles und Hana hatten ein gemeinsames Kind gehabt, den älteren Bruder von Sofia. Sofia erzählte manchmal von einer kleinen Nichte, die sie großzog. Sofia hatte keine anderen Geschwister. Ergo musste Sofias Nichte Olivia Charles Stattons Enkeltochter sein. Emily war auf dem rissigen Klodeckel sitzen geblieben, bis der Manager an der Tür gerüttelt und ihr befohlen hatte herauszukommen.
    Bis zu diesem Zeitpunkt war Emilys Plan, auf der Schule ein Gap Year zu absolvieren, noch sehr verschwommen gewesen. Denn sie hatte noch keine Idee entwickelt gehabt, wie sie ihre Anwesenheit dort nutzen konnte, um der Statton-Familie das Leben schwer zu machen. Aber wenn sie eine Komplizin hatte – Sofia brauchte nur einzuwilligen, Olivia nach Letchford zu schicken. »Du sagtest doch, du sparst viel Geld, weil du bei deinem Job als Haushälterin umsonst wohnen kannst«, erinnerte sie die Tschechin. »Keine Miete. Und hier gibt es auch genügend Arbeit.« Sofias Blick schweifte zur Theke. Ein paar Vertreter in schlecht sitzenden Anzügen und grellen Krawatten hatten sich dort niedergelassen und musterten die Frauen über einem Bier.
    »Ich bekomme nicht viel dafür, wenn ich sie dazu bringe, Champagner zu bestellen.«
    »Es gibt weitaus lukrativere Möglichkeiten.«
    Sofia zog die Stirn kraus. »Was meinst du damit?«
    Emily deutete mit dem Kopf auf die Tür rechts von der Theke. »Als Bartänzerin.«
    Sofia richtete sich auf. »Das würde ich nie tun. Es ist …« Sie schüttelte den Kopf. »Was die da drin machen, ist schrecklich.«
    »Gut, es gibt auch noch andere Möglichkeiten«, fuhr Emily fort. »Außerhalb des Klubs. Es hängt vermutlich davon ab, wie wichtig dir eine gute Ausbildung ist. Manche verdienen eine Menge Geld damit, indem sie auf professioneller Ebene mit Männern ausgehen.«
    »Du meinst als Hostess?« Sofia sprach das Wort verächtlich aus. »So eine bin ich nicht. Ich habe eine Ausbildung. Einen

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