Das geheime Bild
haben wir nichts geschickt.«
»Aber meine Freundin lebt nicht im selben County wie ich.« Ich konnte nur die Daumen drücken, dass sie mich nicht fragte, in welchem County meine Freundin wohnte. Lag Wokingham in Berkshire? Oder war es Buckinghamshire?
»Was für eine Art von Puppe war es denn?«
Ich griff nach der E-Mail. »Ein Sebastian.«
»Oh, das ist eine meiner Lieblingspuppen. Sehr gefragt.«
»Ich kann auch gut verstehen, warum. Er ist bezaubernd.« Bei dieser Lüge bekam ich fast Zahnschmerzen. Gott sei Dank konnte die Verkäuferin meine Grimasse nicht sehen.
»Wir haben im September einen Sebastian verkauft.«
»Oh! Ob das wohl meiner war?« Ich hielt den Atem an.
»An einen Kunden in einem Dorf nahe Wokingham.«
Ich richtete mich kerzengerade auf. »Jetzt weiß ich, welche Freundin es war. Ach, wie reizend von ihr. Sie wusste, dass ich mir einen Sebastian wünschte.«
»Er gehört zu den beliebtesten Reborns. Und da wir in der Lage sind, dem Gesicht die Züge eines echten Kindes zu geben, macht sie das doppelt beliebt.« Ich hörte ein Rascheln von Papieren. »Wie ich sehe, hat ihre Freundin dies bei Ihrer Reborn-Puppe veranlasst.« Sie senkte ihre Stimme zu einem vertraulichen Flüstern.
»Dann hat sie sich also meinetwegen so viel Mühe gegeben.« Hoffentlich hörte man mir mein Erstaunen nicht an. Olivia war also dafür verantwortlich, dass die Puppe in unsere Schule gekommen war. »Ich muss ihr schreiben und mich bedanken«, fuhr ich fort. »Die Sache ist nur, sie wohnt noch nicht lange dort und hat mir die Postleitzahl noch nicht mitgeteilt. Für gewöhnlich kommunizieren wir über Facebook.« Ich feilte am aufrichtigen Klang meiner Stimme. »Aber für etwas derart Besonderes, nun, da sollte ich ihr wirklich einen richtigen Dankesbrief schreiben.«
»Möchten Sie, dass ich Ihnen die Postleitzahl nenne?«
»Oh, würden Sie das tun? Das würde mir einen Anruf ersparen.«
»RG40 9QS«, sagte sie. »Es freut mich, dass Sie herausgefunden haben, wer dahintersteckt. Sollten Sie irgendwelche Accessoires für Sebastian benötigen, Kleider vielleicht oder eine Tragetasche, rufen Sie einfach an.« Ihr Angebot klang so aufrichtig, dass ich schlucken musste.
Ich dankte ihr und legte auf. Die Frage, die ich unbedingt hatte stellen wollen, lag mir noch auf den Lippen. Hatte der Künstler, oder wie immer diese Leute sich nannten, ein Foto benötigt, um danach zu arbeiten? Wenn dieses Baby die Züge eines echten Kindes trug, wem gehörten diese dann?
Ich rief das Kartenprogramm im Internet auf und tippte die Postleitzahl ein. Das Satellitenbild eines kleinen Dorfes erschien: Bellingham. Ich zoomte es heran. Es bestand aus nur wenigen Häusern, die meisten davon waren große, für Pendler typische Anwesen. Ich ließ mir eine Wegbeschreibung von Letchford aus erstellen, was der Computer auch pflichtschuldig tat, zusammen mit der Information, dass ich etwa eine Stunde brauchen würde, um dorthin zu kommen.
Es war nicht schwer, das Dorf Bellingham zu finden, das nur wenige Kilometer nördlich des M4 lag. Wie ich auf dem Satellitenbild gesehen hatte, bestand es überwiegend aus großen Häusern, keins davon so alt, wie sie auf den ersten Blick aussahen. Ein paar kleinere und älter wirkende Cottages scharten sich um einen Ententeich am Ende der Gemeindewiese. Der Pub sah aus wie eine auf Schickimicki umgestaltete Dorfkneipe und warb mit einer umfangreichen Speisekarte, erlesenen Weinen und Designer Beer. Ich parkte den Wagen und ging auf das erste der drei großen Häuser gegenüber dem Pub zu. Als ich die Tür erreichte, sah ich zwei kleine Kinder im Vorgarten spielen, beide dunkelhäutig. Ihre Mutter harkte Blätter und war so dunkel wie der Junge und das Mädchen. Es schien unwahrscheinlich zu sein, dass dies die Tante der bleichen Olivia war, also beschloss ich, Zeit zu sparen und erst zu den anderen beiden Häusern zu gehen.
Im nächsten Haus im Haziendastil war niemand zu Hause. Bei meinem Blick durch den Briefschlitz konnte ich bis zur Küche sehen. Neben dem Tisch stand eine Gehhilfe und daneben zwei Paar Hausschuhe. Aus Blumentöpfen mit Schmetterlingsmuster quollen Fleißige Lieschen. Neben der Teekanne standen geblümte Becher und eine Zuckerdose sowie ein Teller voller Rich-Tea-Biscuits. Ich ging weiter.
Das dritte Haus sah vielversprechend aus. In der Einfahrt stand ein neues silbernes Cabriolet. Als ich klingelte, öffnete mir eine sonnengebräunte Frau mit teuer aussehenden Strähnchen im
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