Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
auf keinen Fall Fingerabdrücke hinterlassen. Also …” Sie nahm eine Tüte mit Handschuhen heraus. Gelbe Gummihandschuhe. Durchsichtige Arzthandschuhe. Schwere Wollhandschuhe. “Wir sollten die weißen nehmen.” Naomi reichte ihr ein Paar Spitzenhandschuhe, die noch ungetragen aussahen. “Probier sie an.”
“Zum Glück ist nicht Sommer, sonst würde ich in dieser Aufmachung eingehen.”
Naomi nickte. “Als ich mich so verkleiden musste,
war
Sommer. Die Maske habe ich weggeworfen. Ich wollte sie nie mehr ansehen müssen.”
“Was warst du?”
“Wie meinst du das?”
“Nun, ich bin ja eine Art Dornröschen …”
“Ach so. Ich war ein Außerirdischer. Ziemlich gruselig.”
“Erzählst du mir, was du getan hast?”
War es so schlimm wie das, was ich tun werde?
“Diese Frage solltest du nie jemandem stellen, der untergetaucht ist”, sagte Naomi. “Das würde uns beide, dich und mich, in Gefahr bringen. Mir gefällt es gar nicht, dass wir so viel über euren Plan wissen.” Sie legte die restlichen Perücken zurück in die Schachtel. “Ich sage nur so viel, dass bei dem, was Forrest und ich getan haben, Menschen ums Leben kamen. Allerdings war das ein Unfall. Wir wollten nicht, dass so etwas geschieht, aber auch wir würden wie Andie zum Tode verurteilt werden, wenn man uns erwischt. Und unsere Kinder …” Naomis Stimme brach. Sie blickte auf ihren Sohn und schloss einen Moment die Augen, als ob sie sich gerade das Schlimmste vorstellte.
CeeCee zitterte. Sie konnte spüren, wie sehr Naomis Welt bedroht war. “Ihr werdet nicht erwischt.” Aus dem Spiegel starrte ihr nun eine blonde Prinzessin entgegen. “Ich kann nicht glauben, dass ich es wirklich tun werde.”
“Hast du Angst?”
CeeCee nickte.
Naomi stellte die Schachtel auf den Boden. “Denk an eine Zeit, in der du mutig warst.”
CeeCee dachte nach. Sie hatte nie etwas getan, das als mutig gelten konnte. “Mir fällt nichts ein.”
“Ich meine nicht so was wie Bergsteigen. Sondern etwas Mutiges im Alltag.”
Sie dachte daran, dass sie dabei gewesen war, als ihre Mutter starb. Sie hatte schreckliche Angst davor gehabt, hatte sich nicht vorstellen können, wie es sein würde, neben dem Körper zu sitzen, wenn alles Leben daraus verschwunden war, und doch war sie geblieben, weil ihre Mutter sie brauchte. Und sie hatte ihre Hand gehalten, als sie diese Welt verließ. Dafür hatte sie allen Mut aufbringen müssen, den sie besaß.
“Ist dir etwas eingefallen?”, fragte Naomi.
“Ich war bei meiner Mutter, als sie starb.”
“Oh, CeeCee.” Naomi berührte sie an der Schulter. “Wie alt warst du da?”
“Zwölf.”
“Verdammt, dann warst du wirklich mutig. Ich hätte das mit zwölf nicht gekonnt. Also, wenn du beginnst, nervös zu werden, dann denk daran, welchen Mut du an diesem Tag gehabt hast, und er wird wiederkommen. Verstehst du?”
Sie bezweifelte, dass es so einfach war. “Gut. Ich werde es versuchen.” CeeCee zog die Maske ab. “Danke, Naomi”, sagte sie. “Für alles.”
In dieser Nacht liebten sie und Tim sich auf der Matratze in dem kleinen Zimmer. Ihr Körper schien noch gefühlloser als sonst und sie war wütend. Sie dachte an Ronnies Rat, einen Orgasmus vorzutäuschen. Wer wusste denn, wann sie und Tim wieder die Gelegenheit hatten, miteinander zu schlafen? Wie lange würden sie getrennt sein? Es sollte ein Geschenk für ihn sein. Ein Geschenk, das er in sich tragen konnte, bis sie sich wiedersahen.
Sie begann zu keuchen, sich unter ihm zu winden. Weil sie es nicht übertreiben wollte, stieß sie nur ein leises Seufzen aus, aber als sie spürte, wie es seine Erregung anheizte, wurde sie lauter. Es war eigentlich ganz einfach. Sie wölbte sich nach hinten, biss in das Kopfkissen und erschauerte unter ihrem vorgespielten Höhepunkt.
Tim kam eine Sekunde nach ihrem Auftritt. “Oh, Babe.” Er atmete schwer an ihrem Ohr. “So schön war es noch nie. Noch
nie.”
“Das stimmt.”
Als sie sich ein wenig beruhigt hatten, zog Tim die Bettdecke über sie und drückte CeeCee an sich.
“Ich liebe dich so sehr.”
“Ich liebe dich auch”, murmelte er. “Ich will, dass du weißt, wie glücklich ich bin, dass du das alles für mich tust. Und für Andie. Du bist so selbstlos.”
“Danke.” Sie freute sich über seine Worte.
“Und gerade hatten wir phänomenalen Sex.”
“Das stimmt”, sagte sie wieder. Sie hatte Gewissensbisse, ihn so an der Nase herumzuführen.
“Du hast doch nicht nur so
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