Das geheime Leben des László Graf Dracula
die obige Eintragung beendet, hörte ich ein Klopfen an der Wohnungstür, und kurz darauf erschien Luzi. Mit einem etwas mürrischen Knicks reichte sie mir das Tablett, auf dem eine Visitenkarte lag. Ich war einigermaßen verblüfft, da ich immer darauf vertraut hatte, daß niemand meinen Unterschlupf kannte. Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken, als ich den Namen las: »Tristan Rado, Oberst, 57. Husaren.« Hastig rief ich Luzi zurück.
»Ist er hier?« fragte ich ungläubig.
»Nein, gnä' Herr. Er hat nur die Karte dagelassen.«
»Keine Nachricht?«
»Er hat kein einziges Wort gesagt.«
Ich eilte zum Fenster und sah hinunter auf den Platz, aber ich konnte die straffe Gestalt von Oberst Rado nirgends entdecken.
»Ein eher kleiner Mann, an die Fünfzig, dunkles Haar, glatt nach hinten gekämmt... Ist das der Herr, der die Karte dagelassen hat?«
»Nein, gnä' Herr, ich würde nicht sagen, daß er ein Herr war. Ein älterer Mann. Grauhaarig. Ziemlich groß.«
Das wäre Rados Faktotum, der unerschütterliche Diener, der bei den Treffen der Ungarischen Liga stets im Hintergrund zugegen war. Ich drehte Rados Karte um und fand eine knappe Nachricht: »Bitte kommen Sie um acht Uhr abends.
Es gibt etwas zu besprechen.«
Nach langem Hin- und Herüberlegen kam ich zu dem Schluß, daß ich keine andere Wahl hatte, als es durchzustehen. Oberst Rado wußte von meiner Wohnung, und so wußte er aller Wahrscheinlichkeit nach auch von meinem Arrangement mit Estelle. Aber ihr Tod war in den Budapester Zeitungen kaum erwähnt worden, und allzu scharfsinniges Kombinieren traute ich dem wackeren Husaren nicht zu.
Obwohl es ein kalter Abend war, beschloß ich, zu Fuß nach Buda zu gehen, wo der Oberst wohnte. Ich wollte Zeit haben, meine Gedanken zu sammeln, und ich wollte sehen, ob mir jemand folgte. Mein ursprünglicher Verdacht, daß ich beschattet wurde, als ich die Wohnung nahm, war anscheinend richtig gewesen, aber an diesem Abend sah ich niemanden, sooft ich mich auch umdrehte oder vor Schaufenstern stehenblieb, um vorsichtig die fast leere Straße entlangzu-spähen.
Ich traf pünktlich auf die Minute bei Rado ein. Der Diener nahm meinen Mantel, und als ich die Handschuhe abstreifte und sie in den Hut warf, den er hielt, sah ich in seiner Miene kein Anzeichen dafür, daß irgend etwas auch nur im geringsten außergewöhnlich war. Rado jedoch befand sich in einem Zustand größter Erregung. Als ich das Arbeitszimmer betrat, stand er mitten im Raum, als habe er gerade im ruhelosen Auf- und Abgehen innegehalten.
»Mein Lieber, kommen Sie herein, kommen Sie herein!« Er stürzte auf mich zu und drückte mir herzlich die Hand. Ich war von seiner Überschwenglichkeit befremdet, wenn auch äußerst erleichtert, da er ganz offensichtlich nicht im Begriff war, mich wegen meiner Privataffären zur Rede zu stellen. »Ich trinke etwas Glühwein, um die Kälte zu verscheuchen. Nehmen Sie auch einen?« Die Getränkewahl schien mir zwar reichlich altweiberhaft für einen Kavalleristen, aber ich habe den Eindruck, daß Rado aus Prinzip ein spartanisches Leben führt und sich Bequemlichkeiten gern versagt. Ich akzeptierte die angebotene Erfrischung, und der Diener verließ das Zimmer, ohne weitere Anweisungen abzuwarten.
»In den Angelegenheiten, die wir letzthin besprochen haben, kommen wir gut voran«, sagte Rado geheimnisvoll, als wir allein im Zimmer waren. Der Oberst nimmt sich für gewöhnlich immer sehr zusammen, und ich hatte ihn noch nie zuvor so emotionsgeladen erlebt. Er ging jetzt wieder auf und ab und rieb sich die Hände, als würde ihm dies helfen, ein Übermaß an nervöser Energie abzu-lassen. »Alles, worauf ich gehofft habe, alles, das zu planen bisher noch nicht in meiner Macht lag, kommt jetzt allmählich wie von selbst zustande.«
»Das ist das wohlverdiente Ergebnis langer Bemühungen. Es muß eine große Genugtuung für Sie sein«, sagte ich in dem Glauben, einen harmlosen Kommentar abzugeben.
Rado sprang mich fast an. Er packte wild meinen Arm. »Nicht ich... wir!«
flüsterte er eindringlich. In seinen Augen flackerte ein fanatisches Feuer, während er mich anstarrte, aber ich wagte nicht, seinem Blick auszuweichen.
Dann klopfte es an der Tür, und der Diener trat mit dem Wein ein. Die Ablenkung schien Rado zur Besinnung zu bringen. Er ließ meinen Arm los und klopfte mir begütigend auf die Schulter.
»Wir zählen auf Sie, alter Knabe«, sagte er in etwas entspannterem Konversationston. Die
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