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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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überraschen, Graf, was die Leute alles aus Liebe tun. Ich meine, ganz gewöhnliche Leute, nicht irgendwelche dekadente Subjekte oder abgebrühte Verbrecher. «
    »Hat ihn denn jemand am Tatort gesehen?« fragte ich hoffnungsvoll.
    »Noch nicht«, sagte Kraus. »Solche Zeugenaussagen lassen immer ein wenig auf sich warten, erst muß es sich mal herumsprechen, daß er als Verdächtiger in Frage kommt.«
    »Was sagt er selbst?«
    »Daß er sie an jenem Morgen im Laden ihrer Eltern besucht hat. Er behauptet, es wäre das letzte Mal gewesen, daß er sie lebend gesehen hat.«
    Im stillen frohlockte ich; Preisich hatte also beschlossen, es vor Kraus zu verheimlichen, daß er noch kurz vor ihrer Ermordung mit Estelle zusammengewesen war. Diese Lüge würde sich als verhängnisvoll erweisen, falls irgend jemand ihn in der Nähe des Tatorts gesehen hatte. Warum hatte er gelogen? Hatte er ein schlechtes Gewissen? Er hätte ebensogut den Verdacht auf mich abwälzen können – eine riskante Strategie, bei meiner gesellschaftlichen Stellung, aber plausibel genug, wenn Estelle ihm von unserem Arrangement erzählt hatte. Ich muß die Wohnung in Budapest schnell dichtmachen und Luzi loswerden.
    »Na, den kriegen wir schon noch weichgekocht«, sagte Kraus grimmig. »Wir werden die Unstimmigkeiten in seiner Geschichte herausfinden und ihm damit ein Bein stellen. Dann bleibt ihm gar nichts anderes mehr übrig, als die Tat zu gestehen.«
    »Zweifellos«, sagte ich und nickte zustimmend. »Lassen Sie es mich wissen, wenn ich Ihnen noch in irgendeiner Weise behilflich sein kann.«
    »Ich danke Ihnen, Graf. Ihr Beistand war unschätzbar.«
    Er streckte mir auf seine schroffe, unelegante Weise die Hand hin, die ich mit einem Gefühl der Erleichterung schüttelte.
    Wenn Elisabeth mich nicht bei der Polizei angezeigt hatte, dann hatte sie mich bei Gott angezeigt. Folglich ritt ich zur Kirche und fand dort auch prompt die Kutsche vor, mit Jakob auf dem Bock, gemütlich sein Pfeifchen schmauchend.
    Ich machte schnell kehrt, bevor er mich erspäht hatte.
    Elisabeth würde drinnen sein, bei Gregor ihre Beichte ablegen. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, was sie ihm erzählen würde: alles. Ich habe allerdings Schwierigkeiten, mir die Reaktion meines Freundes auszumalen. Ich entdecke zur Zeit die verschiedensten Variationen der Scham. Da ist die tiefe, niederschmetternde Scham, die man vor Gott verspürt oder vor der Öffentlichkeit. Dann ist da die private Scham vor einem Freund, der einen kennt und liebt und der zu Recht erwartet, daß man sich den Regeln der Freundschaft gemäß verhält. Diese Scham ist brennend, intensiv und schmerzhaft wie ein Bienenstich.
    Ich fühle mich unwürdig, weil mich die Frage so quält, ob sie mich ausliefern werden. Wenn ich wirklich Reue verspürte, würde ich mir deswegen keine Sorgen machen. Mein moralischer Instinkt versagt, aber ich traue Gregor und Elisabeth mehr als allen anderen Menschen zu, das Richtige zu tun. Gregor geht es nur um die Ewigkeit, nicht um irgendeinen kleinlichen, weltbeschränkten Justizbegriff. Er wird meine Tat als eine Sünde ansehen, die meine Seele gefährdet. Werden sie dann wohl versuchen, mich zu retten – Gregor, den das Beichtgeheimnis daran hindert, die Sache auch nur zu erwähnen, und Elisabeth, die sich nicht von ihren Illusionen trennen kann? Ist es möglich, daß sie ihre eigene Abscheu in die spirituelle Essenz umzuwandeln vermag, die nötig ist, um einen Sünder zu erlösen? Elisabeth ist aus dem Stoff, aus dem Heilige gemacht sind. Ich kann in meiner Niedertracht nicht einmal danach streben, ihre Güte zu verdienen.
    Bleibt noch Kraus. Ist er denn also meine Nemesis? Soll dieser kleine Mann mit der großen Spürnase Gottes Instrument sein? Er ist alles, was mich noch vor dem endgültigen Absturz bewahrt, denn ich fürchte, ich werde es wieder tun.
    Hatte Estelle mich betrogen? Und wenn schon! Ich habe nie geglaubt, daß ich ein Recht auf sie hätte. Ich habe auch nie erwartet, daß sie einem Mann, der doppelt so alt ist wie sie, die Treue halten würde. Schließlich hatte ich selbst nicht die Absicht, ihr treu zu sein. Eifersucht, verschmähte Zuneigung, die Wut des betrogenen Liebhabers – dies sind flüchtige, oberflächliche Motive. Motive?
    Ausreden! Nein, was ich begehrte, war allein dieser glorreiche, grausame Augenblick, in dem ich Gott und Bestie zugleich bin, und sonst nichts.

    I3

    26. SEPTEMBER 1887

    ls ich am Ostbahnhof in Budapest ankam, wäre ich

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