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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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meine privaten Dinge wurmte mich, und ich konnte die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Je mehr ich über seine Spione und seine Versuche, mein Leben zu kontrollieren, nachdachte, desto trotziger und aufsässiger wurde ich. Als wir gerade in schlankem Trab die Brücke nach Pest überquerten, klopfte ich an das Fenster hinter dem Kutscher. Er ließ die Pferde in Schritt fallen, schob die kleine Scheibe auf und beugte sich herunter, um meine neuen Anweisungen entgegenzunehmen. Ich nannte ihm die Adresse eines gewissen Hauses im Leopold-Bezirk und begann, ihm den Weg zu beschreiben, doch er nickte abwinkend, als wüßte er schon Bescheid.
    Warum befinden sich diese Orte der Gastbarkeit immer in Kellergewölben?
    Der Eingang zum »Blauen Engel« war bei Tageslicht kaum zu bemerken, aber bei Nacht flankierten strahlend blaue Lampen die Lücke in dem Eisenzaun, wo eine Treppe hinab ins Souterrain führte und ein dunkelhäutiger Koloß jeden Gast an der Schwelle begrüßte. Mit einer Grandezza, die in einem solchen Etablissement übertrieben wirkte, zog er den Vorhang zurück, der vor der Tür hing, und winkte mich durch. Dicker Kneipendunst schlug mir entgegen, eine Wolke von Zigarrenrauch, Schweiß und Eau de Cologne; wie die Essenz der Lasterhaftigkeit hüllte sie den Neuankömmling ein, durchdrang ihn ganz und gar, so daß sich die Fesseln einer starken Zwangsmoral alsbald lockerten und man sich willig der schwülen Aura des Engels überließ. Eine trübe rote Funzel tauchte den Keller in schummriges Halbdunkel und ließ die Gesichtszüge der Anwesenden in Ungewissem Schattenspiel verschwimmen.

    Ich nahm in einer Nische Platz, von der aus ich die Tür im Auge behalten konnte. Der Kellner bot Champagner an, aber ich sagte ihm, er solle mir Brandy bringen. Auf der winzigen runden Bühne sang eine Zigeunerin in ihrer Sprache, begleitet von einem hageren Fiedler. Es war eine melancholische Weise, voller Tremoli und langgezogener, klagender Töne, und die Geige schluchzte dazu.
    Drei Mädchen hockten trübsinnig auf einer Bank an der Wand, vier andere hatten sich um eine Flasche an einem Tisch versammelt und gaben sich Mühe, ihre Langeweile zu verbergen, während sie in meine Richtung schielten, bereit, auf den kleinsten Wink von mir in meine Nische zu kommen. Niemand tanzte.
    Es schien ein fader Abend zu sein.
    Die Musik verursachte mir Unbehagen. Ich war gekommen, um der Wehmut und der Reue zu entfliehen, ein paar Stunden in Muße zu verbringen, und ich war froh, als die Zigeuner mit ihrer Ballade zu Ende waren. Ohne eine Pause zu machen, stimmten sie abrupt ein heiteres Lied an, das die Gäste im Takt mitklatschen ließ und sogar die Mädchen auf der Bank hochriß. Mehrere Paare kamen aus den Nischen, um zu tanzen, obwohl die Männer meist schon betrunken waren und von ihren Partnerinnen gestützt werden mußten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, wenn sie allzu ehrgeizige Drehungen versuchten.
    Mein neugieriger Blick mußte wohl etwas zu lange auf einem der Mädchen am Tisch geruht haben, denn sie faßte es als Einladung auf, mir Gesellschaft zu leisten. Ihr Name sei Leila, sagte sie mir, als sie sich entschlossen hinsetzte. Sie war dunkelhäutig, aber ihr Teint wirkte stumpf, und sie war auch viel älter, als sie mir aus der Ferne erschienen war. Unbeschwert plapperte sie drauflos, während sie schnell den sündteuren Champagner in sich hineinkippte, den der Kellner automatisch vor sie hingestellt hatte. Als sie fertig war, dankte ich ihr für ihre Gesellschaft. Zuerst schien sie konsterniert, weil sie wohl der Meinung war, ich hätte sie in meine Nische eingeladen, aber dann schlenderte sie achselzuckend zurück zu ihren Freundinnen, und ich sah, wie sie mit einer Kopfbewegung kurz in meine Richtung wies, als sie wieder bei ihnen war.
    Danach widmete sie mir keine weitere Aufmerksamkeit.
    Ich bestellte noch einen Brandy und nippte ihn langsam, während eine Frau ungarische Liebeslieder sang. Die Atmosphäre begann auf mich zu wirken, ich fühlte mich entspannt und in der Stimmung, mich zu amüsieren. Sollte Rado sich doch zum Teufel scheren!
    Eines der Mädchen auf der Bank hatte meinen Blick aufgefangen. Sie saß abseits von den beiden anderen, und niemand schien sich um sie zu kümmern.
    Vielleicht war es die Schutzlosigkeit, die mich anzog, genauso wie der jagende Wolf ein Tier anpeilt, das sich außerhalb der Herde befindet. Ich kaufte von dem Kellner ein paar Tanzkarten, und als die Musik wieder begann,

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