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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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daß sie nicht einfach nur in meine Richtung sah, vielleicht durch etwas abgelenkt ganz allgemein in die Menge blickte; nein, sie wandte den Blick von dem Mann, der gerade mitten in einem Satz war, und sah mir direkt in die Augen. Dieses beinahe telepathisch zu nennende Bewußtsein hatte sie schon bei ihrem Besuch im Schloß gehabt: die Fähigkeit, zu spüren, daß jemand sie ansah oder intensiv an sie dachte –
    oder, genauer gesagt, die Fähigkeit, zu spüren, wenn ich sie ansah oder an sie dachte.
    Ich wandte den Blick ab. Es war eine rein instinktive Reaktion, für die ich mich sofort haßte, denn als ich wieder zu ihr hinsah, richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf eine andere Gruppe in ihrer Nähe. Dieser kurze Moment war so intensiv gewesen, daß ich geblinzelt hatte. Für einen Augenblick war es wie Zauberei gewesen, das sofortige Wiedererkennen, aber ich hatte es nicht festgehalten, und es war mir durch die Finger geglitten.
    Ich nippte Wein aus einem Glas, ohne mir meiner Umgebung bewußt zu sein.
    Als ich wieder in Nicoles Richtung sah, fiel mir auf, daß sie kaum lachte, obwohl sich die jungen Männer alle Mühe gaben, sie zu amüsieren. Vielleicht lachte sie nur deshalb nicht, weil sie ihre Freier anspornen wollte, noch mehr um ihre Gunst zu werben.
    Ich überlegte gerade, wie ich weiter vorgehen sollte, als ich neben mir eine Stimme hörte.
    »Ich kenne Männer, die sich lieber einem Angriff der preußischen Kavallerie stellen würden, als sich mit Nicoles Bewunderern einzulassen «, sagte ein etwa sechzig Jahre alter Herr zu mir. » Aber wenn Sie Angst haben sollten, sich zum Narren zu machen, dann werden Sie überhaupt nichts erreichen.« Er kicherte in sich hinein und verschwand wieder in der Menge.
    Ich entschloß mich für einen frontalen Angriff. Ich straffte die Schultern, setzte mein schönstes Lächeln auf und schlenderte zu dem Sofa, auf dem Nicole saß. Ich schwankte ein wenig, als ich nur noch ein kleines Stückchen von ihr entfernt war und sie noch immer keine Anzeichen des Erkennens von sich gab.
    Als ich bei der gesellschaftlichen Festung angekommen war, einer Mauer aus bestens geschneiderten Rücken, hinter der die Unterhaltung in vollem Gange war, mußte ich stehenbleiben. Es gelang mir zwar, eine Lücke zu finden, aber inzwischen hatte ich meinen Schneid verloren, und so wartete ich einfach nur auf eine Gesprächspause, um Nicole auf mich aufmerksam zu machen.
    Ihr Haar war etwas dunkler, als ich es in Erinnerung hätte, aber es hatte noch immer die gleichen kastanienbraunen Töne wie früher. Es war nach hinten zusammengebunden, mit hübschen Ringellöckchen an beiden Seiten, die ihr ovales Gesicht einrahmten. Die Augen mit den schweren Lidern vermittelten den Eindruck von Trägheit und erotischer Schwüle, obwohl Nicole in Wahrheit intelligent und sehr aufgeweckt ist. Diesen Ausdruck von Schläfrigkeit kannte ich gut; sie setzte ihn immer auf, wenn ihr bewußt war, daß sie von einem Mann, der sie attraktiv fand, angestarrt wurde, und dieser Ausdruck der Gleichgültigkeit sollte dem Verehrer sagen, daß seine Bewunderung sie langweilte. Aber ich erinnere mich noch gut daran, wie ihre Augen blitzten und ganz dunkel wurden, wenn sie wütend auf mich war, und jetzt konnte ich hin und wieder das heimliche Funkeln sehen, das sie vor ihren Bewunderern verbarg. Nicole war in ihrem Element, und ich fragte mich, wie sie sich damals gefühlt haben mochte, einen ganzen Sommer lang, weit weg in Ungarn, ohne all die Aufmerksamkeiten ihrer eleganten Freunde.
    Einer der Herren machte eine witzige Bemerkung, und ihr Blick streifte mein Gesicht, als sie die Reaktion der Zuhörer beobachtete, glitt über mich hinweg und kehrte zurück, und während ihr Blick auf mir ruhte, zog sie fragend die Augenbrauen in die Höhe, ohne mir zu verstehen zu geben, daß sie mich erkannt hatte. Ich lächelte und machte eine Verbeugung.
    »Wir haben einen Dichter unter uns«, verkündete sie zu meinem Entsetzen, denn die kleine Episode im Schloßgarten war nicht gerade etwas, das ich gern vor all den fremden Leuten ausgebreitet hätte, aber die Nicole, an die ich mich erinnerte, wäre sehr wohl imstande gewesen, mich damit zu quälen. »Ich möchte Ihnen gern meinen Cousin László vorstellen, der erst kürzlich aus Ungarn angekommen ist«, sagte sie ohne große Umstände.
    Ich trat nach vorn und beugte mich etwas vor, um die Hand zu küssen, die sie mir hinhielt, eine Geste, die zwar in Budapest üblich war, die aber

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