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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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Länge. Allerdings sind die Aufschläge und die Rockschöße hinten ausgesprochen unmodern, waren es sogar in Budapest, so daß ich sie habe ändern lassen. So wird wenigstens der Gehrock die Prüfung bestehen.
    Es ist noch immer zu früh. Ich habe einen Wagen bestellt und muß von dem Tisch, an dem ich schreibe, immer wieder zum Fenster gehen, um nachzusehen, ob er schon da ist.
    Im Salpêtrière hat mir Dr. Ducasse heute morgen noch weitere Patientinnen zur Untersuchung zugeteilt. Er scheint mit meiner Arbeit ganz zufrieden zu sein.
    Jedenfalls hatte er nichts zu kritisieren. Die Patientinnen sind alles alte Frauen, die meisten im dritten Stadium von Syphilis, ein Zustand, der für Charcot von großem Interesse ist, da er gerade eine Studie über die Anomalien der Gelenke durchführt, von denen bei dieser Krankheit die Degeneration des Nervensystems begleitet ist.
    Heute bin ich Stacia auf der Treppe begegnet. Sie kam gerade herunter, als ich auf dem Weg in die Station war, obwohl ich mir eigentlich gar nicht vorstellen kann, was sie im zweiten Stock zu suchen hatte, denn dort gibt es außer den regulären Stationen nur einen Sezierraum, die Büros der Ärzte und ein kleines Arbeitszimmer. Ich lief gerade eilig die Treppe hinauf, blieb aber stehen, als ich sie kommen sah, und tat so, als wäre ich außer Atem, um ein kleines Experiment durchzuführen. Ich lehnte mich, als sie vorbeiging, an das Geländer, so daß sie Gelegenheit hatte, mir direkt ins Gesicht zu sehen. Sie zeigte aber nicht die geringste Spur des Wiedererkennens, vielmehr betrachtete sie mich streng, wie es alle speziellen Patientinnen von Charcot an sich haben, und ging ohne ein Wort an mir vorbei. Ich hatte ein leises Zögern erwartet, eine Frage auf ihren Lippen, ein Zusammenkneifen der Augen, um noch mal genauer hinzusehen, aber sie schien mich noch nie gesehen zu haben. Ich blieb bei der letzten Biegung der Treppe stehen, so daß ich außerhalb ihres Blickfelds war, während sie hinunterging, aber sie sah sich nicht nach mir um.

    ABEND

    Das Haus der Berthiers ist noch verblüffender, als die Eingangshalle vermuten läßt. Das Zimmer, in dem Tante Sophie ihre Besucher empfängt, ist dem Kabinett eines Renaissanceprinzen nachempfunden. Von der Decke hängen lange Stoffbahnen, die den Eindruck vermitteln, man betrete ein Zelt. Prächtige, tiefrote und ockerfarbene Teppiche bedecken den Boden und ergänzen die Tapisserien. Überall hängen Bilder von Heiligen in Ekstase, von Märtyrern oder von Frauen im Harem, die in träger Sinnlichkeit warten. Aber ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dies alles wäre degeneriert oder exzentrisch, denn ich glaube, Tante Sophie hat einen Hang zum Künstlerischen. Die üppigen Stoffe und die sinnlichen Farben sollen den Eindruck luxuriöser Ungezwungenheit vermitteln, und der Reichtum ist schier greifbar.
    Das Zimmer war überfüllt, worüber ich froh war, denn ich wollte zuerst meine Tante und meine Cousine eine Zeitlang beobachten, bevor ich sie ansprach. Die meisten Besucher waren Frauen, und jede schien jede zu kennen.
    Da ich selbst niemanden kannte und auch nicht vorgestellt worden war, bahnte ich mir unauffällig entlang der Wand einen Weg durch den Raum. Ein Dienstmädchen reichte mir einen Teller, und da ich zum Frühstück nur ein Brötchen mit Kaffee zu mir genommen hatte, bediente ich mich mit kleinen Häppchen, während ich mich unter den Gästen umsah.
    Tante Sophie saß in der Mitte des Salons und hielt hof. Sie war eine gutaussehende und imponierende Frau in einem dunkelblauen Seidenkleid, und ich bemerkte, wie sie von den anderen gutgekleideten Frauen respektvoll begrüßt wurde. Ein Herr in meinem Alter beugte sich gerade über sie, um ihr die Hand zu küssen, und sagte etwas Amüsantes, was sie zum Lachen brachte, so daß sie ihm ihre Hand entzog und ihm mit erhobenem Finger spöttisch drohte.
    Der Mann hatte ein schmeichlerisches, elegantes Benehmen und strahlte Selbstvertrauen aus, worum ich ihn beneidete. Er ließ sich Zeit, obwohl hinter ihm schon einige Damen warteten, um von ihm begrüßt zu werden, und flirtete ausgiebig mit der Dame, die doppelt so alt sein mußte wie er, bis sie ihn mit einem Winken der Hand und einem leisen, komplizenhaften Lächeln entließ.
    Der charmante Teufel ging in Richtung Wintergarten davon, und ich bahnte mir einen Weg zu dem Sofa, auf dem meine Tante saß, um auf eine Gelegenheit zu warten, mich ihr zu präsentieren. Es gelang mir nicht, ihren Blick zu

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