Das geheime Leben des László Graf Dracula
hat.«
»Ich glaube nicht, daß Sie eine Belohnung verdienen, Lothar.«
»Bis jetzt hat es Gott immer zustande gebracht, mich vor dem zu bewahren, was ich wirklich verdiene.« Er verbeugte sich mit spöttischer Unterwürfigkeit, mit gesenktem Blick, aber mit dem leisen Lächeln, das alles leugnete, auf den Lippen.
»Könnten Sie Lothar nicht einen Platz im Salpêtrière sichern, László? Würden Sie das tun? Würden Sie ausnahmsweise einen Mann aufnehmen, jemanden, der sich schon vor der Mitte seines Lebens durch sein ausschweifendes Leben ruiniert hat?«
»Einige Teile des Hôpitals habe ich noch nicht gesehen«, begann ich unsicher.
Ich war nicht geübt in ihrem scherzhaften Geplänkel und kam mir dumm und hinterwäldlerisch vor. »Aber wenn er ein außerordentlich interessanter Fall wäre, könnten wir vielleicht eine Ausnahme machen.«
Ich war froh, als alle lachten, auch wenn ich das Gefühl hatte, ganz zufällig einen Treffer gelandet zu haben.
»Dann ist Ihre Zukunft ja gesichert«, sagte Nicole zu Lothar. »Er wird einen ausgezeichneten Fall abgeben. Einen außerordentlich seltsamen Fall. Lothars Geist ist voller geheimer Pfade, auf die noch kein Lichtschimmer gefallen ist.«
Wieder lachten alle, und jetzt wurde mir das Muster klar: Lothar konnte sagen, was ihm gerade einfiel, aber Nicole mußte das letzte Wort haben. Ich warf ihm einen Blick zu und war überrascht, als er Nicole mit ziemlich ernster Miene anstarrte. Zum erstenmal hatte er die Maske zynischer Belustigung abgelegt.
Es schien genau der richtige Augenblick zu sein, ihnen von der Demonstration am Freitag und von Stacias bemerkenswerter Gedächtnislücke zu erzählen.
»Ein Trick«, verkündete Nicole, noch ehe ich die Geschichte zu Ende erzählen konnte. »Die ganze Sache war ein Schwindel.«
»Sie beurteilen sie nach Ihren eigenen Maßstäben«, sagte Lothar, aber Nicole beachtete ihn nicht.
»Sie hat einen ganzen Saal voller brillanter Wissenschaftler hintergangen!«
spottete sie. »Die Theatervorstellung eines hübschen Gesichts – sie war doch hübsch, nicht wahr?« Ihre Frage schoß mir wie eine Anschuldigung entgegen.
»Nun, ja, das war sie tatsächlich«, gab ich zu, obwohl ich nicht weiß, warum ich ein schlechtes Gewissen hätte haben sollen.
»Sehen Sie!« sagte Nicole triumphierend.
»Aber das hat nichts damit zu tun«, protestierte ich, und Nicole sah mich mitleidig an. »Sie hätten dabeisein sollen. Es war schrecklich überzeugend.«
»Kann denn jeder dorthin, um zuzusehen?« fragte Lothar, der sich meinen Bericht mit großem Interesse angehört hatte. Nicht ein einziges Mal hatte er dazwischengeredet, obwohl er zuvor ohne die geringsten Hemmungen andere Leute mitten im Satz unterbrochen hatte. Trotzdem beschloß ich ihn zu ignorieren, ich wollte mich vor Nicole nicht weiter lächerlich machen und so schnell wie möglich das unglückselige Thema Stacia fallenlassen.
Aber Lothar schien ehrlich interessiert. Ich war überrascht, als er meinen Ellbogen berührte.
»Was halten Sie von einer Zigarre im Wintergarten?« schlug er vor.
»Danke, aber ich rauche nicht«, wehrte ich ab, denn ich wollte Nicoles Gesellschaft nicht missen.
»Sie zeigt nicht, wie sie sich freut, Sie zu sehen«, flüsterte er so leise, daß es außer mir niemand hören konnte, in mein Ohr. Ich spürte, wie es mir eiskalt den Rücken herunterlief. Es war, als hätte er meine Gedanken gelesen. Woher konnte er wissen, was ich so heftig zu hören wünschte?
»Sie wird hierbleiben«, beruhigte er mich und zog an meinem Ärmel, und so ging ich mit ihm. Er nahm meinen Arm, und wir schlenderten wie alte Freunde durch den Salon. »Sie tut so, als wäre es ihr gleichgültig«, sagte er vertraulich, so, als wären wir zwei Ärzte, die unsere Ansichten über einen schwierigen Fall austauschen. »Aber das ist alles nur gespielt. In Paris ist alles gespielt. Niemand handelt spontan. Niemand sagt die Wahrheit. Das gilt als altmodisch. Wenn ich also die Wahrheit sage, glauben sie entweder, ich wäre ein gottloser Narr oder ein Schauspieler von erlesener Finesse. Folglich sage ich, was mir gefällt.«
»Ich bin doch sehr erstaunt, welche Freiheiten Sie sich gegenüber Nicole herausnehmen.« Ich erhob bereits Besitzansprüche und fühlte mich verpflichtet, sie zu beschützen.
»Aber sie ist nicht beleidigt, nicht wahr?«
Ich mußte zugeben, daß dem so war. Er öffnete die Glastür zum Wintergarten, und zusammen traten wir in die feuchtschwüle Luft
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