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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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auf die ohnehin verschreckte Bevölkerung auswirken. Frauen begannen schon ihre Kinder um sich zu scharen, andere eilten nach Hause.
    Als ich die Unruhe sah, die wir schufen, zügelte ich mein Pferd, aber der Schaden war nicht mehr gutzumachen. Der Junge drehte sich um, wendete sein Pferd und drängte mich wütend vorwärts, hätte gar auf Sabbats Kruppe geschlagen, wenn ich ihm nicht schnell ausgewichen wäre. In gemäßigterem Galopp – inzwischen waren die Pferde auch zu kaum mehr fähig – erreichten wir die Außenbezirke und bogen in einen Sandweg, der entlang den Eisen-bahngleisen zu einer Hütte führte, wo der Junge anhielt. Er stieg ab, indem er geschmeidig an der Flanke des Rappen herunterglitt, und lief schnurstracks ins Innere, um meine Ankunft zu melden.
    In der Hütte war es so dunkel, daß ich zunächst kaum etwas sah, aber allmählich gewöhnten sich meine Augen an das trübe Licht. Eine Frau, die Mutter, glaube ich, führte mich ins Schlafzimmer, in dem das kranke Kind lag.
    Derweil blieben die Männer reglos und schweigend in der Wohnküche hocken und folgten mir mit mißtrauischen Blicken. Das Kind, ein Junge von vielleicht acht Jahren, lag in einem grob aus alten Holzlatten zusammengezimmerten Bett, und ich sah sofort, daß er dem Tod nahe war. Es war noch eine andere Person im Raum, aber in dem Halbdunkel konnte ich nicht erkennen, wer sie war, bis sie zu sprechen begann.
    »Gott sei Dank, daß Sie gekommen sind, Herr Graf«, sagte sie, und ich erkannte die ruhige, gemessene Stimme von Theresa.
    »Was tust du denn hier?« fragte ich verdutzt.
    »Ich verrichte Gottes Arbeit«, erwiderte sie.
    »Aber hier, und ganz allein?«
    Ich warf einen Blick durch die Tür auf einen Mann, der mit einem Messer, das für einen so einfachen Zeitvertreib unangemessen groß schien, an einem Stock herumschnitzte. Theresa lächelte mild.
    Ich lehnte mich vor, um ihr etwas zuzuflüstern, das die anderen nicht hören sollten. »Aber das sind ja praktisch Wilde!«

    Sie schien entzückt. »Aber sind das nicht gerade die, die unsere Hilfe brauchen?« entgegnete sie voller Inbrunst.
    »Weiß deine Mutter, wo du bist?« fragte ich und kam mir dabei ein wenig töricht vor.
    »Ich bin ihr keine Rechenschaft mehr schuldig«, sagte sie knapp.
    Ich war überrascht zu sehen, daß sie sich unter diesen unzivilisierten Leuten völlig natürlich bewegte, Wasser aus einer Tonne in der Küche holte, wo die mürrisch dasitzenden Männer sie gar nicht weiter beachteten. Selbst das Scheusal mit dem Messer hielt für einen Augenblick im Schnitzen inne, als sie vorbeiging, damit die Späne nicht auf ihr Kleid fielen. Aber als Theresa den Jungen aufzudecken versuchte, legte die Mutter die Hand auf das Laken und ließ nicht zu, daß sie es herunterzog.
    »Euer Kind ist sehr krank«, erklärte ich ihr. »Ich muß es untersuchen.« Sie sah durch die offene Tür zu ihrem Mann, der sein Messer zusammenklappte und aufstand; als er das winzige Zimmer betrat, mußte er sich bücken.
    Kommentarlos zog er das Laken herunter. Der Junge lag in blutigem Durchfall.
    Um seine mageren Hüfte war eine rote Schnur gewunden mit einem kleinen Lederbeutel, der seinen Nabel bedeckte.
    »Was habt ihr ihm gegeben?« fragte ich die Eltern.
    »Kräuter, die unser Volk verwendet«, sagte der Mann schließlich. Er stand grimmig da, sah aus, als würde er bei der geringsten Herausforderung losschlagen.
    »Ich werde euch etwas anderes geben.«
    »Er wird sowieso sterben«, brummte der Vater.
    Ich sah schnell zu der Mutter hin, aber sie wirkte resigniert. Im Hintergrund, vom anderen Zimmer aus, spürte ich den dunklen, bohrenden Blick des Jungen, der mich auf jenem halsbrecherischen Ritt hierhergeführt hatte.
    »Er meint, sie haben das Schicksal des Jungen schon vorhergesehen«, sagte Theresa zu mir. »Seine Zukunft stand in den Karten.«
    »Aber wir können uns doch nicht vom Aberglauben beherrschen lassen!« Ich streckte die Hand nach dem Kind aus, um seinen Bauch abzutasten, aber der Mann packte mich beim Handgelenk.
    »Nein!« erklärte er wild.
    »Er glaubt, daß Sie den Zauberbann brechen werden«, sagte Theresa.
    »Ich werde das Amulett nicht berühren«, sagte ich zu ihm. Sein Griff begann mir weh zu tun. »Wirklich, ich habe keinerlei Interesse an dem Beutel.«
    Er ließ argwöhnisch meinen Arm los, blieb aber dicht an meiner Schulter, als ich die flache Hand auf den Bauch des Kindes legte. Der Kleine stöhnte schwach, wann immer ich etwas fester drückte.

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