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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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beste Hand«, beharrte er dickköpfig. »Das ist eine kriminologische Tatsache.«
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Gibt es denn gar keine anderen Hinweise ?«
    »Das fragt der Polizeichef auch immer. Vergangene Woche habe ich ihm gesagt, daß ich keine habe. Jetzt fordert er, daß ich welche finde.«
    »Das kommt mir aber reichlich unfair vor.«
    »Ich habe mich sogar bereit erklärt, nach Budapest zu fahren, um zu sehen, ob ich etwas über ihr Leben dort herausfinden kann.«
    »Vielleicht war der Mörder Teil ihres Lebens in Budapest«, schlug ich gefährlicherweise vor, doch die Flucht nach vorn schien mir immer noch die beste Methode, um die Zügel in der Hand zu behalten und den Gang der Ermittlungen bei Bedarf in die Irre zu lenken.
    »Das habe ich dem Polizeichef auch gesagt.«
    »Aber dann müßte man sich fragen, warum er ihr Hunderte von Meilen bis hierher gefolgt ist, in eine fremde Stadt, wo er doch viel eher bemerkt wird, anstatt sie lieber gleich dort in Budapest umzubringen. «
    »Das hat der Polizeichef auch gesagt.«
    »Nun, da ist wohl auch was Wahres dran. Aber andererseits kann man nicht erwarten, jeden Fall zu lösen, der einem unterkommt. Es kann doch mal vorkommen, daß sich einfach kein Schuldiger finden läßt und der Fall unerledigt bleibt.«
    »Nein!«
    Ich war von der Vehemenz seiner Reaktion überrascht; eben noch hatte es ausgesehen, als würde er sich schon geschlagen geben.
    »Ich werde nicht aufgeben! Ich werde den Fall niemals abschließen, bis dieser verfluchte Feigling dingfest gemacht ist.«
    Die Beleidigung traf mich wie ein Schlag ins Gesicht, und ich brauchte einen Augenblick, bis ich mich wieder unter Kontrolle hatte. »Sie haben recht. Es war eine feige Handlung, eine wehrlose Frau von hinten anzugreifen«, gelang es mir mühsam, ihm zuzustimmen. »Wir müssen alles tun, was wir nur können, um den Schuldigen vor Gericht zu bringen«, murmelte ich und versuchte sogar, es aufrichtig zu meinen, obwohl ich schwer gekränkt war von seinen Worten, die den Stachel der Wahrheit in sich trugen.

    23. DEZEMBER 1887

    Um die Mittagszeit auf dem Rückweg zum Schloß paßte mich Jakob am Fuß des Hügels mit einer Botschaft von Mari ab: Es gab zwei neue Krankheitsfälle, beides Mitglieder derselben Familie. Gestern hatte es vier neue Fälle gegeben.
    Die Ausbreitung der Seuche ist unbestreitbar, und es war sinnlos, noch weiter abzuwarten. Auf direktem Weg fuhr ich zu Bürgermeister Theissen.
    Der Laden war nicht geöffnet, aber ich hämmerte an die Tür, wohl wissend, daß er um diese Zeit immer das Backen beaufsichtigte und daß es ein günstiger Moment war, mit ihm allein zu reden. Er kam selbst zur Tür und spähte ärgerlich durch die Scheibe, bevor er mich erkannte und mich mit großer Geste hereinwinkte. Ich war erschrocken, als ich sah, wie abgemagert er war. Von seinem gesunden, lebensprallen Selbst schien nicht mehr viel übrig zu sein.
    Er drängte mir eine Tasse Kaffee auf. »Würden Sie mir die Ehre erweisen, meine Rosinenwecken zu kosten, Herr Graf?« fragte er mit einem matten Anflug seiner alten Verschwörermiene und stellte einen Teller mit ofenwarmen Wecken vor mich hin, deren Zimtaroma mir verlockend in die Nase stieg.
    Ich kam tatsächlich in Versuchung, denn ich hatte seit dem Frühstück nichts mehr zu mir genommen. Wir setzten uns an einen der kleinen Tische, und er sah mit professioneller Befriedigung zu, wie ich in das butterweiche, köstliche Gebäck biß.
    »Ich wollte Sie auf eine Krankheit aufmerksam machen, die zur Zeit hier in der Stadt grassiert.«
    »Es gehen schon entsprechende Gerüchte um.«
    »Das habe ich befürchtet. Aber bei der Anzahl der Krankheitsfälle ist das wohl unvermeidlich.«
    »Wie viele Menschen sind denn davon betroffen, Herr Graf?« Seine Klatschbereitschaft war einem leisen Schrecken gewichen.
    »Bis jetzt zwanzig.«
    »Bis jetzt?«
    »Es werden bestimmt noch mehr. Leider besteht kein Zweifel mehr, daß wir es mit einer Seuche zu tun haben.«
    »Aber wenn Menschen krank werden, dann müssen sie ja nicht unbedingt gleich...«
    »Sterben? Das tun sie aber. Tatsächlich sogar sehr häufig. In den letzten beiden Wochen hatten wir fünf Todesfälle. Sechs, wenn man ein Kind dazuzählt, das vielleicht an Blinddarmentzündung gestorben ist.«
    Theissen schien erschüttert. »Sechs Todesfälle?«
    »Es sind keine Masern, wissen Sie«, sagte ich schroffer, als ich beabsichtigt hatte. Wenn man tagelang in einer gefährlichen Situation lebt, wird

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