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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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weiter zu beachten, aber wie es schien, erhöhte meine mangelnde Aufmerksamkeit sie nur in ihrer Bereitschaft, in mir einen Heiligen zu sehen, dem sie ihre Erlösung verdanken.
    Es ist wahr, daß es seit einer Woche keine Todesfälle mehr gegeben hat. Es hat keine weiteren Handlungen von dem Vampir gegeben, obwohl etliche Leute behaupten, ihn gesehen zu haben, was natürlich absurd ist, die erhitzte Phantasie des Volkes aber nur noch mehr anregt. Schon bald wird es für mich nur noch wenig zu tun geben, da in zwei Wochen ein neuer Doktor eintreffen wird. Wieviel leichter ist es, die Dienste dieser Burschen zugesagt zu bekommen, wenn sie nicht gebraucht werden!

    7. MÄRZ 1888

    Die Frühlingsschmelze kommt spät in diesem Jahr. Der Boden ist noch immer gefroren. Und doch nutzte Jakob den strahlenden Sonnenschein heute morgen als Vorwand, um trübsinnig im Gemüsegarten vor den Fenstern der Bibliothek zu stochern, während er mich verstohlen im Auge behielt. Die Natur erwacht allmählich. Der Frühling kann nicht mehr weit sein, und es war erst letztes Jahr im Frühling, daß ich dieses Tagebuch wiederaufnahm.
    Ich befand mich in einem leicht benommenen Zustand geistiger Abwesenheit, zu dem ich dieser Tage neige; stundenlang kann ich so dasitzen und irgendein Detail anstarren – einen Fehler in der Glasscheibe oder einen Astknoten im Holz der Tischplatte zum Beispiel. Es ist nicht unangenehm; tatsächlich finde ich es ganz entspannend.
    Elisabeth hatte angeklopft, obwohl die Tür zur Bibliothek offenstand, aber ich drehte mich nicht um. Die Neugier ist mir längst vergangen.
    »Herein«, sagte ich, und ihre Schritte hielten am anderen Ende der langen Refektoriumstafel, an der ich saß. Ich war wie in einem Traum gefangen, und erst als ich sie meinen Namen aussprechen hörte, wandte ich den Kopf um. Wir haben uns beide verändert. Ich bin zu einer liederlichen Erscheinung geworden, die den äußeren Anreizen der Welt nicht mehr viel abzugewinnen vermag. Aber Elisabeth ist voller Lebensmut. Ihr Optimismus ist ungebrochen. Ihre Augen funkeln vor Entschlossenheit. Meine Seele soll offenbar um jeden Preis gerettet werden.
    Ich besann mich meiner Manieren, machte Miene, mich zu erheben. »Ich hole dir einen Stuhl«, bot ich an.
    »Laß nur«, winkte sie ab, und ich sah, daß sie ein paar Papiere in der Hand hielt. Sie warf einen Blick nach draußen, um sich zu vergewissern, daß Jakob auf seinem Posten war.
    »Er könnte wenigstens etwas Nützliches tun«, sagte ich. »Diese Rosen gehören geschnitten.«
    »Während der vergangenen paar Monate...«
    Es fällt Elisabeth so schwer zu lügen. Selbst wenn sie nur versucht, etwas zu beschönigen, kommt es mir vor, als streichelte sie eine Katze gegen den Strich.

    »Werden wir je aus diesem Alptraum erwachen?« fragte ich sie.
    »Ich bin gekommen, um ein paar ganz spezielle Punkte zu klären.«
    »Na schön«, seufzte ich.
    »Während du von deinen ärztlichen Pflichten in Anspruch genommen warst, habe ich mich, so gut es ging, um die Verwaltung unseres Besitzes gekümmert.
    Ich werde dir die Abrechnung gleich vorlegen. Wir haben einen ganz passablen Überschuß erwirtschaftet.«
    »Das hast du gut gemacht.«
    »Ich bin gut beraten worden.«
    »Du könntest gut ohne mich auskommen«, sagte ich schlicht, als reine Feststellung der Tatsachen.
    »Es gibt da einige Briefe, die ich nicht beantworten konnte und die auf deine Genesung gewartet haben. Hier sind sie.«
    Sie legte mehrere Briefe auf den Tisch, und mich befiel die irrationale Angst, es könnte sich um Schuldzuweisungen aus Gefilden jenseits des Grabes handeln, von Stacia, Estelle, Rosa oder Theresa.
    »Auf den Rat von Pater Gregor hin habe ich mir erlaubt, sie zu öffnen«, sagte sie entschuldigend. »Für den Fall, daß es sich um Dinge handelt, die keinen Aufschub dulden.«
    »Das war auch ganz richtig.«
    »Also, hier sind sie«, sagte sie.
    Ich dachte, sie würde mich allein lassen, um sie zu lesen, wie ich es in glücklicheren Zeiten in diesem Zimmer zu tun pflegte, aber Elisabeth wartete darauf, daß ich den kleinen Stapel Briefe durchsah. Mit geringem Interesse las ich einen Bericht eines alten Freundes von der medizinischen Fakultät über sein Leben in der Armee. Zögernd überflog ich die liebedienerische Epistel eines entfernten Cousins; ich hatte den Fehler begangen, ihn darüber zu informieren, daß er, da ich keine leiblichen Nachkommen besaß, als nächster in der Erbfolge kam, obwohl der Grafentitel mit

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