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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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in friedvoller Erschöpfung zurückgelassen.
    Und doch spürte ich ein leichtes Prickeln in der Magengrube, als ich in die Nähe des Ortes kam, ein Gebiet in einiger Entfernung vom Stadtzentrum, wo die Häuser nicht mehr so dicht standen. Ein Polizist war aufgestellt, um Neugierige fernzuhalten, obwohl niemand da war. Das Verbrechen war in einem brachliegenden Grundstück verübt worden, das an drei Seiten von Häusern und Gemüsegärten begrenzt war und an der vierten von der Eisenbahnlinie; dort spielen Kinder zwischen den wenigen Bäumen und Büschen, und es ist kreuz und quer von Trampelpfaden durchzogen, die von Leuten als Abkürzung benutzt werden, um die Eisenbahnschienen auf dem Weg in die Stadt zu überqueren. Inspektor Kraus würde im Schnee viele Fußabdrücke zu studieren haben.
    Ich folgte einem der Wege, der sich zwischen Gruppen von Erlen und wucherndem Brombeergebüsch dahinschlängelte. Ich fand Kraus allein mit der Leiche. Als ich ihm zum erstenmal an dem Mordschauplatz am Fluß begegnet war, war er wie ein gefangenes Frettchen vor und zurück gelaufen in seiner Ungeduld, die Verfolgung des Schuldigen aufzunehmen. Jetzt stand er mit gebeugtem Kopf da, so still wie ein Mönch im Gebet. Es hatte wieder zu schneien begonnen, und leichte weiche Flocken schwebten herunter und setzten sich auf seinen schwarzen Hut. Er hörte mich nicht, oder aber er beachtete mich nicht. Die Natur war unter der wattigen Schneedecke verstummt, und die Zeit schien stillzustehen.
    »Schweinehund!« brach es schließlich aus ihm hervor. Es klang wie ein Schmerzensschrei.
    Ich wußte nichts zu sagen. Er kam auf mich zugestolpert. Wenn er mich hätte schlagen wollen, hätte ich es zugelassen, aber es war der Trost eines menschlichen Kontakts, den er benötigte. Er ergriff mich an den Schultern und schüttelte mich, als wollte er mich zu seinem Zustand der Qual und des Entsetzens erwecken.
    »Sehen Sie es?« fragte er. Sein Atem roch nach Erbrochenem.
    Ich sah über seine Schulter hinweg in die Ferne. »Ja«, log ich.
    »Wie konnte jemand nur so etwas tun?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wie nur, wie denn nur?« beharrte er flehentlich, den Tränen nahe. »Noch nie habe ich so etwas Ungeheuerliches gesehen.«
    » Sicher...«
    »Niemals! Niemals in zwanzig Jahren!«
    Er begann, sich wieder zu fassen, als der Schmerz in Zorn und Abscheu umschlug.
    »Sehen Sie sich das an, Graf«, drängte er mich, als fürchtete er, alles sei nur eine schaurige Ausgeburt seiner Phantasie.
    Ich tat, wie mir geheißen, während er mein Gesicht beobachtete, um zu sehen, ob ich seine Vision bestätigen würde. Ich sah das Blut im Schnee leuchten wie ein scharlachrotes Juwel, die zusammengekrampften Finger, die Augen, die genau wie die einer Heiligen gen Himmel verdreht waren.
    »Ich habe ihre Kleider geordnet, bevor Sie gekommen sind. Aus Gründen des Anstands.« Ein hysterisches Auflachen entfuhr ihm wie ein plötzlicher Husten.
    »Nicht gerade sehr professionell von mir, das gebe ich zu, aber ich konnte sie einfach nicht so liegenlassen.« Er wies mit einer matten Geste in die weite Schneelandschaft. »Es war offensichtlich, daß er mit ihr verkehrt hat – vorher, nachher, was weiß ich? –, aber das ist nicht das Entscheidende. Das ist es nicht, was mich so beunruhigt. Es ist die Wunde. Er hat es mit seinen Zähnen getan.
    Können Sie sich das vorstellen? Er hat sie wie ein Tier gerissen. Unglaublich!
    Wie lange braucht ein Mann, um einer Frau die Gurgel herauszureißen?«
    Ich vergegenwärtigte mir, auf seine Anregung hin, noch mal die Pirsch in der Dämmerung, den Moment, da die Beute wie von einem Löwen angefallen zu Boden ging. Es hatte überhaupt nicht lange gedauert. Tatsächlich war es viel zu schnell gegangen.
    »Und Sie meinen, daß ein Mann es getan hat?« fragte ich.
    »Eher ein Satan! Sie sollte im nächsten Jahr ins Kloster eintreten. «
    »Ja, ich weiß, ich habe sie gekannt«, sagte ich. »Sie heißt Theresa. Sie hat mir manchmal bei den Kranken geholfen.«

    I. JANUAR 1888

    Es geht die Rede von Vampiren. Selbst gebildete Leute diskutieren diese Möglichkeit ganz offen. Das einfache Volk ist überzeugt, daß die Seuche geschickt wurde, um die Gemeinde dafür zu bestrafen, daß sie dieses Ungeheuer in ihrer Mitte beherbergt. Nur wenn wir ihn aufspüren, heißt es, und ihn auf altbewährte Weise zur Strecke bringen, werden wir von dieser Krankheit erlöst werden.
    Mari ist gestorben, ohne noch mitzubekommen, was ihrer Tochter

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