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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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impertinente Weise zu sich heran. Es gab mir zu denken, daß jemand seines Standes sich eine solche Vertraulichkeit anmaßte, und ich fragte mich, wie tief ich schon gesunken war. Ich wandte verstimmt den Blick ab und wollte schon weitergehen, doch aus dem Augenwinkel sah ich ihn immer noch unbeirrt in meine Richtung starren, wobei er den Hut zwischen den Fingern drehte, als wollte er die Krempe zurechtziehen.
    »Warte hier«, sagte ich zu Jakob. »Ich muß mit dem Burschen da drüben mal ein Wörtchen reden.« Die Entfernung betrug nicht mehr als dreißig Meter, aber es war weiter, als ich im ganzen letzten Monat je von meinem Bewacher entfernt gewesen war, und ich war erleichtert, daß Jakob mich tatsächlich gehen ließ.

    Während ich näher kam, hatte der Bursche uns den Rücken zugekehrt und starrte in die Pferdetränke, so daß ich noch immer nicht wußte, ob mein erster Eindruck mich getrogen hatte, bis Oberst Rado sich umdrehte, genau in dem Augenblick, da ich ihn erreichte.
    »Kleine Planänderung«, sagte er knapp. In seiner unbewegten Miene war kein Grinsen der Komplizenschaft zu erkennen, nicht die leiseste Aufforderung, seine geschickte Verkleidung zu bewundern. »Das Datum ist verlegt worden.«
    »Der Besuch des Kronprinzen«, murmelte ich verdattert. Ich hatte seit Wochen nicht mehr daran gedacht.
    »Was denn sonst«, fuhr er mich an. »Reißen Sie sich zusammen, Mann.« Er sah mich von oben bis unten an, als würde er einen Soldaten bei der Parade mustern und als gefiele ihm gar nicht, was er sah. Ein Ausdruck schmerzlichen Widerwillens huschte über sein Gesicht. »Was um Gottes willen ist mit Ihnen geschehen? Sie sehen aus, als hätten Sie kürzlich einen Nervenzusammenbruch gehabt.«
    »Wir hatten hier eine Epidemie.«
    »Machen Sie mir bloß keine Geschichten, László!« Er packte mich beim Arm.
    »Sonst werden wir Sie...« Jakob mußte sich bewegt haben, denn ich sah, wie Rado einen Blick über meine Schulter warf und sogleich die Beherrschung zurückgewann. »Hören Sie, wir zählen auf Sie, mein Freund. Wir verlassen uns ganz und gar auf Sie.«
    »Keine Sorge, ich werde Sie nicht im Stich lassen«, sagte ich. Ein Mann ohne Zukunft kann alles versprechen.
    »Die Sache ist jetzt für die zweite Woche im April angesetzt«, wisperte Rado hastig, und bevor ich noch etwas erwidern konnte, war er gegangen.

    I4. MÄRZ 1888, NACHMITTAG

    Das Bristol ist auf seine überdimensionale Art ziemlich prunkvoll. Allein schon das Foyer ist so groß wie eine Bahnhofshalle. Elegante Sitzgruppen sind hier und da auf geschmackvolle Art arrangiert, und Topfpalmen säumen den roten Teppich bis hin zu der grandiosen Treppe, die niemand benutzt. Natürlich nimmt jeder den Fahrstuhl, der von einem Pagen mit weißen Handschuhen bedient wird.
    »Jetzt merke ich erst, wie hausbacken wir in unserer Einöde geworden sind«, sagte Elisabeth, während sie die Terrassentüren unseres Zimmers öffnete.
    Ich trat mit ihr auf den Balkon. Es wehte ein kalter Wind, und wir erschauerten; Brod hatte uns die Mäntel abgenommen, als wir ankamen.
    Instinktiv rückten wir dichter zusammen. Elisabeth schwankte, wie unter einem Windstoß, berührte mich fast, und ich überlegte, was ihr wohl durch den Kopf ging, während sie es sich gestattete, so dicht in die Nähe eines Ehemanns zu kommen, von dem sie wußte, daß er erst kürzlich ein Mädchen getötet hatte. Mit einem schüchternen Lächeln wandte sie sich mir zu, und einem Impuls folgend legte ich meinen Arm um ihre Schultern und fühlte, daß sie mehr als bereit war, ihren Körper an meinen zu schmiegen, in kameradschaftlicher Geborgenheit, Seite an Seite.
    Ich glaube, sie hat vor, mich durch eine Art zaghafter Verführung zu retten, wenn nötig, sogar ihr Leben für mich zu opfern, wie eine Heldin, die einen geliebten Menschen vor dem Flammentod bewahrt, indem sie sich auf ihn wirft und sich mit dem Mut der Verzweiflung an ihn klammert. Ich bin von ihrer Naivität genauso gerührt wie von ihrer Liebe.
    Unter uns lagen Barken an den Kais der Donau, und der Fluß strömte braun und angeschwollen von der Schneeschmelze dahin.
    »Wir müssen uns fertigmachen«, sagte Elisabeth.
    »Es ist noch früh«, erwiderte ich.
    »Es ist schon nach ein Uhr. Dorothy muß mir die Haare richten.«
    »Sie werden uns für taktlos halten, wenn wir pünktlich eintreffen!« rief ich ihr zu, als sie ins Zimmer zurückging, und ich sah sie unsicher zögern, als fühlte sie sich diesen paradoxen

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