Das geheime Leben des László Graf Dracula
erschreckt!« Sie schien verwirrt und unsicher, wie sie sich bei diesem unerwarteten Treffen mit mir verhalten sollte.
»Ich wußte nicht, daß Sie es waren!« fügte sie entschuldigend hinzu.
»Du fürchtest dich doch nicht vor dem Vampir?«
»Man kann nie wissen«, scherzte sie mit einem erleichterten Lachen.
»Ich begleite dich nach Hause«, sagte ich und machte Anstalten, sie in die dunkle Gasse zu ziehen.
Sie zögerte. »Aber ich wohne jetzt bei den Theissens.«
»Ich weiß. Aber ich muß dort hinten etwas erledigen, und dazu könnte ich deine Hilfe gut gebrauchen.«
Sie spähte über meine Schulter. »Da ist es ja schrecklich dunkel, Herr Graf.
Glauben Sie nicht, daß es besser wäre, hier entlangzugehen? Es ist nicht mehr weit.«
»Weißt du, vorhin habe ich ein merkwürdiges Geräusch aus dieser Richtung kommen hören. Als wäre jemand verletzt.« Ich sah, daß sie schwankte. Sie wollte mir glauben, aber ihre Angst war stärker. »Ich weiß ja selbst, daß es albern klingt, und es muß unter uns bleiben, aber dieses ganze Gerede von Vampiren hat sogar mich ein bißchen verunsichert, und ich bin nicht unbedingt erpicht darauf, in einen stockdunklen Stall zu gehen, ohne daß jemand wenigstens an der Tür steht und im Notfall Hilfe holen kann.«
»Aber warum sind Sie zu so später Stunde noch unterwegs?« wollte sie wissen, um hastig hinzuzufügen: »Ach, wahrscheinlich sind Sie hier rein zufällig vorbeigekommen. Es tut mir leid, Herr Graf. Ich habe kein Recht, Sie so etwas zu fragen. Ich weiß nicht, warum ich es getan habe.«
Auf keinen Fall durfte sie zu denken anfangen. So trat ich kurzerhand in die Gasse, als hätte ich keine Zeit mehr zu verlieren. Und tatsächlich hörte ich gleich darauf ein Rascheln hinter mir. Ich drehte mich zu ihr um und reichte ihr meinen Arm. Sie klammerte sich geradezu daran fest.
»Wir müssen sehr leise sein«, flüsterte ich ihr ins Ohr, und sie nickte. Sie hatte aufgehört zu denken.
Zwischen den Rückfassaden zweier Häuserreihen huschten wir weiter. Links und rechts von uns lagen kleine Gemüsegärten und vereinzelte Ställe und Werkstätten. Je weiter wir uns von der Hauptstraße entfernten, desto dunkler wurde es.
»Hatten Sie nicht gesagt, es wäre nicht weit?« fragte Helene.
»Wir sind gleich da«, versicherte ich ihr. Mir war bewußt, daß ich sie eigentlich nicht mit meinem Arm stützte, sondern sie hinter mir herzog. Sie zitterte am ganzen Leib.
»Hier muß es sein.« Ich zeigte ihr zwei Stalltüren. Eine davon stand einen Spaltbreit offen. »Da! Hast du es gehört?« zischelte ich.
»Ich habe nichts gehört, warum?« Sie klammerte sich noch fester an meinen Arm.
»Wahrscheinlich ist es nur ein betrunkener Stallknecht«, brummelte ich.
»Aber trotzdem sollten wir lieber gemeinsam nach dem Rechten sehen.«
»Könnten wir nicht Hilfe holen? In den Häusern müßte doch noch jemand wach sein.«
»Du hast genug getan«, sagte ich unvermittelt. »Es war nicht richtig von mir, dich um Hilfe zu bitten. Geh nach Hause.«
Einen Augenblick lang fürchtete ich, sie würde mein Angebot tatsächlich annehmen. Sie zögerte und blickte sehnsüchtig zurück zur Straße, von der wir gekommen waren. Dort war es heller, dort fühlte sie sich sicherer.
»Aber wenn du bleiben willst, wäre ich dir unendlich dankbar, wenn du meinen Mantel und Hut halten könntest. Würdest du das für mich tun?« Ich nahm den Umhang von meinen Schultern, und sie streckte mechanisch die Hand danach aus. »Du glaubst doch nicht, daß ich dich mitgenommen hätte, wenn ich glauben würde, daß es gefährlich für dich werden könnte, nicht wahr?«
»Nein«, erwiderte sie gehorsam, doch voller Zweifel.
Im Stall konnte ich zunächst nichts erkennen. Geräusche von Tieren vernahm ich nicht. Ich stieß mit dem Fuß gegen etwas Weiches, einen Strohhaufen, wie sich herausstellte. Am anderen Ende des Raums entdeckte ich eine weitere Tür, die ich vorsichtig öffnete, um festzustellen, daß sie in einen Garten führte.
Draußen drückte Helene meinen Umhang an sich und trat von einem Fuß auf den anderen. Ich winkte sie zu mir.
»Es ist schlimmer, als ich dachte«, murmelte ich.
»Ich muß jetzt nach Hause gehen!« keuchte sie.
»Ich weiß. Bring mir doch bitte nur noch meinen Mantel.« Ich trat zurück in den Stall.
»Ich muß gehen«, flüsterte sie, blieb aber unentschlossen auf der Türschwelle stehen.
Ich simulierte ein Stöhnen. »Hierher! Schnell!«
Endlich setzte sie sich in
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