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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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altruistisches Atom, und sie ist menschlichen Fehlern gegenüber sehr nachsichtig.
    Es ist keine einfache Sache, fleischliche Beziehungen zu der Frau seines toten Bruders in Erwägung zu ziehen. Elisabeth ist nicht unattraktiv. Sie hat ein ovales Gesicht, das Ehrlichkeit und Optimismus ausstrahlt, obwohl ihr Teint ein wenig farblos ist. Ihr feines, helles Haar ist gelockt, was sie als Strafe empfindet. Einmal erzählte sie mir, daß sie als Kind zu Gott gebetet hat, ihre Haare glatt zu machen, und als sie es dann dem Priester beichtete, wurde sie für ihre Eitelkeit streng getadelt. Sie ist nicht plump, aber sie hat einen weichen, runden Körper, der nicht gerade nach meinem Geschmack ist, obwohl ihn andere als angenehm oder sogar als wünschenswert empfinden. Ich habe noch nicht mit ihr geschlafen. Ich hatte Angst vor dem Risiko, sie mit Syphilis anzustecken und sie mit einer ganzen Reihe Idioten und Schwachköpfen zu schwängern. Folglich haben wir keine Nachkommen. Ich habe mit ihr nicht über den Grund für mein mangelndes Interesse gesprochen, da ich ihr sehr wenig anvertraue. Aber Elisabeth hat eine stark ausgeprägte Veranlagung, was mich am Anfang unserer Ehe sehr überrascht hat, weil ich angenommen hatte, daß jemand, der so fromm ist wie sie, mit sexueller Lust nicht viel im Sinn hat. Ich lernte schnell, bei ihr die Anzeichen unerfüllter sexueller Wünsche zu erkennen
    – Rastlosigkeit, Seufzen, unaufhörliches nervöses Zufächeln im Sommer, glühende Blicke über den Eßtisch hinweg im Winter –, und suchte den Ausweg im sogenannten einsamen Laster, um bei mir Übersättigung bis hin zur Impotenz herbeizuführen. Und wenn ich dann doch pflichtschuldig ihr Schlafzimmer aufsuchte, lag der offensichtliche Grund für unsere Josephsehe schlaff da. Im nachhinein erscheinen mir diese Arrangements nicht nur unerquicklich, sondern unerträglich einsam. Trotzdem stellte ich mein Verhalten vor mir selbst als ritterlich hin.

    Dafür habe ich mich um unseren Besitz gekümmert, der von Onkel Kálmán und von meinem Vater, dem theologischen Laien, heruntergewirtschaftet worden war. Wir waren seit Generationen einfacher Landadel, aber um die Ländereien, die wir besaßen, war es stets gut bestellt, vorausgesetzt, man hat sich beständig um sie gekümmert und sie mit fester Hand geführt. Die kleine Stadt, die unterhalb des Schlosses am Fuß unseres Hügels liegt, ist, seit es die Eisenbahn gibt, enorm gewachsen. Diese Entwicklung schreibt man im allgemeinen mir zu, obwohl sich niemand in der Stadt auch nur vorstellen kann, was für riesige Bestechungsgelder ich dem Chefingenieur der Eisenbahngesellschaft gezahlt habe, damit die Eisenbahnlinie durch unser Tal führt.
    Nachdem Onkel Kálmán nun tot ist, habe ich begonnen, das Tagebuch weiterzuführen. Der Einfluß, den er im Schloß ausgeübt hat, läßt sich schwerlich übertreiben. Er war selbst eine Art Bastion, ein turmhoher, finsterer Mann mit einem riesigen Schnurrbart, der ihm bis fast zu den Ohrläppchen reichte. Er meinte es gut, aber er war daran gewöhnt, mit widerborstigen Soldaten umzugehen, und seine militärischen Allüren versetzten Georg und mich in Angst und Schrecken. Georg brachte es schnell fertig, sein Wohlwollen zu gewinnen, aber mir gelang es erst, nachdem ich das Internat besuchte.
    Erst durch Gregor errang ich ein gewisses Maß an Achtung vor meinem Onkel. Ich hatte meinen neuen Freund in den Ferien mit nach Hause gebracht, weil Gregor, ein Waisenjunge wie ich selbst, auch ein Stipendium bekam und sonst Weihnachten bei den Patres in St. Sebastian hätte verbringen müssen.
    Onkel Kálmán fragte Gregor, ob er Georg und ihn auf die Jagd begleiten wollte.
    Ich glaube, daß er Gregor mehr aus Höflichkeit einlud, und nicht, weil er wirklich erwartete, daß er mitkommen würde; da schließlich Gregor mein Freund war, und ich machte aus meiner Abneigung gegenüber diesem grausamen Sport keinen Hehl. Aber Gregor nahm das Angebot sofort an. Mit dem leisen Gefühl, verraten worden zu sein, bot ich meine Gesellschaft nun ebenfalls an. Seit jenem Tag hat mich die Heiterkeit des Jagens nie wieder losgelassen. Ich entwickelte geradezu eine Leidenschaft dafür, auf die Pirsch zu gehen und mich den Tieren zu nähern, wie es selbst mein Onkel nicht fertigbrachte. Fortan gingen Onkel Kálmán und ich zusammen in die Wälder, und dies war die einzige Tätigkeit, bei der wir eine Art harmonische Verständigung erzielten.
    In allen anderen Dingen waren wir

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