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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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zur Kenntnis. In gewisser Weise habe ich in meinem eigenen Bewußtsein aufgehört zu existieren. Das ist wie eine um sich greifende Taubheit der Seele passiert, so allmählich, daß ich es kaum bemerkt habe.
    Allerdings war ich wachsam, um an mir die Taubheit, die tabes dorsalis, der Syphilis zu entdecken. Mehrere Jahre lang habe ich, immer am ersten Tag eines jeden Monats, mit einer Nadel in jeden meiner Finger und jede meiner Zehen gestochen. Jeden Monat frage ich mich, ob sich der Stich genauso anfühlt wie noch vor einem Monat. Ich habe weder Hautausschläge noch Syphilisgeschwüre entwickelt. Meine kognitiven Fähigkeiten sind genauso, wie man es von einem Mann erwarten kann, der seit zwanzig Jahren in dieser rückständigen ländlichen Öde begraben ist. Soweit ich das beurteilen kann, bin ich nicht verrückt – ganz im Gegenteil. Ich bin in einem Grad nüchtern und geschäftig, daß ich gar nicht mehr merke, wie sehr ich von meinem Dasein gelangweilt bin. Mit anderen Worten, ich habe schon so lange ohne das geringste Anzeichen einer Infektion gelebt, daß ich ohne einen Schatten des Zweifels sagen kann, daß ich die Krankheit nicht habe, daß ich die Krankheit niemals gehabt habe.
    Wenn das Schloß mein Gefängnis war, und Onkel Kálmán mein Gefängniswärter, und Syphilis meine Strafe, dann war das Aufklatschen des Gebetsbuchs genau der Augenblick, in dem ich freigesprochen wurde.

    19. MAI 1887

    Die Schlange mit Trauergästen bei Onkel Kálmáns Begräbnis war endlos gewesen, und ich hatte mehrere Stunden damit verbracht, die Prozession ungarischer Edelmänner im Nationalkostüm zu begrüßen, jeder einzelne wie eine Karikatur seiner selbst – verschrumpelte Reiter mit hohen Stiefeln, Breeches und furchterregenden Schnauzbärten; aalglatte Höflinge aus Budapest mit Streifen an den Uniformröcken und Quasten, die von allen Ecken und Enden ihrer Kleidung herunterbaumelten; große Magnate, mit Pelzen behängt wie Barbaren. Sie verschwammen vor meinen Augen, als sie an mir vorbeizogen, jeder für einen Augenblick mit einer erstaunlichen Individualität, die sofort vom nächsten in der Reihe wieder ausgelöscht wurde. Ich hatte sie lange Zeit als farbenprächtige, aber ziemlich komische Anachronismen betrachtet, wenn sie meinen Onkel besuchen kamen. Sie gehören zu dem alten Ungarn, das jetzt keine Bedeutung mehr hat, denn Ungarns Zukunft liegt in den Städten, in den Eisenbahnen und in der Industrie und bei den Geschäftsleuten, nicht bei den Landbesitzern.
    Ich erinnerte mich, daß sich mir ein Mann vorgestellt hatte, der Georgs Oberst gewesen war. Er sprach voller Herzlichkeit von meinem Bruder, wie so viele andere bei dieser Gelegenheit. Georgs Begräbnis war von unserer Niederlage durch die Preußen überschattet gewesen, und die Trauerfeier war ohne all den Pomp und den Stolz gewesen, die für Kálmáns Abschied so kennzeichnend waren. Aber im Lauf der Jahre hatte Georgs Berühmtheit in einem Maß zugenommen, daß er schon den Status eines Märtyrers hatte. Die Männer, die mir ihr Beileid aussprachen, reihten Georg in eine Familientradition ein, die in einer fernen, grauen und völlig unbewiesenen Vergangenheit begonnen hatte und mit meinem Vater ihren Höhepunkt erreichte, einem wahren Helden im Kampf um den ungarischen Nationalismus. Ich bin mir nicht sicher, ob Georg in dieses Schema gepaßt hat, denn er war gestorben, als er für die Habsburger gegen die Preußen gekämpft hatte, aber ich spürte bei diesen ungarischen Edelmännern das Bedürfnis, Helden zu schaffen, als wären sie der politische Treibstoff, der ihre Sache voranbrachte.
    Onkel Kálmán hatte diese Fackel getragen. Als ich erst für kurze Zeit das Amt des Grafen bekleidete, hatte er mit mir, unter viel Räuspern und falschen Anläufen, ein Gespräch begonnen, in dem er sich bemüht hatte, mich für etwas zu interessieren, das »Ungarische Liga« hieß. Seine Versuche, meine Unterstützung zu gewinnen, wurden durch die Tatsache erschwert, daß die Liga eine Art Geheimbund zu sein schien, dessen Wesen er mir nicht enthüllen durfte, bevor ich nicht zuerst versprochen hatte, ihm beizutreten. Das erinnerte mich an seine früheren, erstaunlich ungenauen Versuche, Georg und mir die Tatsachen des Lebens zu erklären. Kurz und gut, ich nahm diese Liga nicht sehr ernst, aber vielleicht hätte ich das getan, wenn ich Oberst Rado gekannt hätte.
    Warum ich mich nicht an Oberst Rado erinnerte, als er kondolieren kam, liegt wohl daran, daß er

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