Das geheime Leben des László Graf Dracula
sich schon beleidigt fühlen, wenn wir auch nur ein Lächeln wagen, während ihr Held frisch in seinem Grab liegt.
Schließlich beschloß ich, daß wir eine völlig private Feier haben sollten – nur Elisabeth, ich selbst und Gregor, der eigentlich zur Familie gehört (wir sind so erschütternd wenige). Aber wir können keine Geburtstagsfeier ohne eine Geburtstagstorte begehen. Sicher, die Köchin könnte eines ihrer schrecklichen Gebilde anfertigen, mit Schichten aus Marzipan, schwer genug, um ein Panzerschiff zu versenken, und einer Zuckerglasur, hart wie arktisches Eis, aber ich möchte die häusliche Einrichtung umgehen, ich möchte etwas Hübsches für Elisabeth, aber vor allem möchte ich eine Überraschung für sie.
Aus diesem Grund dachte ich mir eine Ausrede aus, um mit der Kutsche in die Stadt fahren zu können. Die Sonne schien hell, als ich auf der Straße, die sich durch Obstgärten den Hügel hinunterwindet, in die Stadt fuhr. Die Bäume standen in voller Blüte, die Vögel zwitscherten, und ich gab dem Pferd die Peitsche, so daß es flott vorantrabte und mir die frische Frühlingsluft über das Gesicht strich. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich aus einem tiefen Schlaf erwacht. Das Leben selbst war ein Gefühl, dessen ich mir plötzlich bewußt war, und bot mir unzählige Möglichkeiten.
In den Tagen meiner Kindheit wurde unsere Familie bei den seltenen Anlässen, wenn wir in die Stadt fuhren, mit tiefem und uneingeschränktem Respekt behandelt. Die Männer nahmen ihre Hüte ab, wenn wir vorbeifuhren, und die Frauen machten einen Knicks. Heute ist das völlig anders. In der Stadt gibt es Zugezogene, die keine Verbindung zu uns haben und die nicht wissen können, was wir alles für sie erreicht haben. Es gibt Sozialisten, die uns dafür hassen, was wir besitzen, während uns andere nur als eine Quelle des Profits ansehen. Aber im großen und ganzen legen die Leute aus der Stadt mir gegenüber Anzeichen von herzlichen Gefühlen an den Tag, da die meisten von ihnen wissen, daß ich mich für ihr Wohlergehen eingesetzt habe.
Der Bäcker Theissen ist gleichzeitig Bürgermeister. Tatsächlich ist er nicht nur ein einfacher Bäcker, sondern hat seine Finger in einer ganzen Reihe anderer Pasteten stecken, aber die meiste Zeit verbringt er damit, seinen Laden in der Hauptstraße, direkt am Marktplatz, zu führen. Kürzlich hat er vorn an seinem Laden Fenster mit großen Scheiben angebracht, so daß Passanten die in Reihen angeordneten Pasteten und Torten bewundern können. Das hat mich auch auf die Idee gebracht, für Elisabeth eine Geburtstagstorte zu bestellen.
Ich gehe selten in einen Laden. Wenn ich etwas brauche, schreibe ich eine Liste, und Brod, unser Diener, besorgt die Sachen. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich an solchen Orten unbehaglich, und außerdem weiß ich auch nicht recht, wie ich mich dort benehmen soll. Ein Laden ist im wesentlichen eine demokratische Einrichtung, aber wenn man mich erkennt, kommt der Geschäftsführer nach vorn gehastet, um mich, vor all den anderen Wartenden, sofort zu bedienen. Andererseits lege ich bei diesen seltenen Anlässen, wenn ich nicht erkannt werde, schon Wert darauf, daß man meine Familie nicht absichtlich mit Geringschätzung behandelt. Ohne mich wie Onkel Kálmán anhören zu wollen, muß ich doch sagen, daß die Würde unseres Namens über allem steht und vor der allmählichen, nivellierenden Zersetzung bewahrt werden muß, die ein wesentlicher Bestandteil der modernen Welt zu sein scheint.
Auf der oberen Türkante war eine Glocke befestigt, die zu klingeln begann, als ich den Bäckerladen betrat. Der Bürgermeister ist ein untersetzter Mann mit einer Glatze, einem leutseligen, offenen Gesicht und berechnenden Augen, die abschätzend meine Stiefel, meine Hose, meinen Mantel und meine Krawatte betrachten, während sein Mund unentwegt einen endlosen Strom unterwürfiger nichtssagender Reden entläßt. Ich hatte schon zu verschiedenen Gelegenheiten mit ihm zu tun, wenn er wegen offizieller Geschäfte der Stadt aufs Schloß gekommen war. Petitionen vom Stadtrat, Delegationen, um die Verbreitung von Straßen zu besprechen, die über unseren Besitz führen, und so weiter. Jetzt fühlte er sich verletzt, weil ich ihn mit seiner Schürze sah, in seiner eher niederen Gestalt, und legte sie eilig ab.
»Eine Ehre, Herr Graf, eine große Ehre«, sagte er näher kommend und sich gleichzeitig mit einiger Schwierigkeit verbeugend. Seine kleinen Augen schnellten
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