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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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hierhin und dahin, als hätte er ein schlechtes Gewissen, als suchte er in seinem Laden nach etwas, das nicht an seinem Platz stand.
    »Sie haben ein bemerkenswertes Geschäft, Theissen«, sagte ich und sah mich um. Da gab es köstliche Torten, mit Zuckerguß überzogen, und üppige Obsttorten und Bisquitplätzchen, alles wunderschön auf Papierdecken ausgelegt und so sorgfältig arrangiert, wie die alten holländischen Meister ihre Stilleben arrangiert haben müssen.
    »Ich möchte meinen, daß wir es im Umkreis von hundert Meilen mit jeder Bäckerei aufnehmen können«, erklärte er stolz. »Aber Eure Exzellenz beehren mich mit Ihrer Gegenwart in meinem bescheidenen Laden.«
    Ich sah, daß Theissen außerordentlich neugierig war, den Grund für meinen Besuch zu erfahren, und sein verbindliches Lächeln zeigte Anzeichen von Anstrengung.
    »Das Vergnügen ist ganz meinerseits«, sagte ich. Wenn wir derartige Wunderdinge vor unserer Haustür hatten, dachte ich, warum bestanden wir dann im Schloß darauf, uns mit Eingemachtem aus dem finsteren Mittelalter abzumühen? »Wirklich erstklassig«, sagte ich.
    Während wir miteinander gesprochen hatten, war von der anderen Seite des Vorhangs, der den Laden von dem hinteren Teil des Geschäfts trennte, Rascheln und Flüstern zu hören. Jetzt tauchte von dort Theissens Frau auf, die auf vornehmes Benehmen Wert legte und in der Kirche immer darauf bedacht war, mir zuzunicken, wann immer es ihr gelang, meinen Blick einzufangen. Hinter ihr kam ihre Tochter, die mir als Estelle vorgestellt wurde. In Gegenwart ihrer Eltern gab sich Estelle ziemlich schüchtern, obwohl ich glaube, daß ihre artige Zurückhaltung nur vorgetäuscht war, denn ich wußte, daß sie eine gute Schauspielerin war.
    »Ich glaube, wir sind uns schon einmal begegnet«, sagte ich mit freundlicher Stimme.
    Bei diesen Worten blickte sie auf. »Sie waren letzte Woche so freundlich, mir mein Gebetbuch aufzuheben«, sagte sie.
    Ich bin mir fast sicher, daß sie es mit Absicht vor meinen Füßen hatte fallen lassen, das kleine Biest, und sie bedachte mich mit einem leisen Lächeln, als wäre ihr klar, daß ich es wußte, aber als machte es ihr nichts aus.
    »Ich habe eher an Ihren Bühnenauftritt in Salomé im vergangenen Winter gedacht«, sagte ich.
    Anstelle einer Persönlichkeit von distinguiertem künstlerischem Rang hatte man mich auserwählt, bei Aufführungen des städtischen Laientheaters hinterher Blumenbouquets an die Schauspielertruppe zu verteilen, wohl deshalb, weil ich einmal in Paris gewesen war. Estelle war ein Lichtblick an dem sonst öden und langweiligen Abend gewesen, sowohl wegen ihrer schauspielerischen Talente wie auch wegen ihrer äußeren Erscheinung.
    »O Herr Graf«, schwärmte die Mutter, entzückt darüber, daß ich mich an den Auftritt ihrer Tochter erinnerte. »War sie nicht himmlisch?«
    Estelle schien diese offensichtliche Aufforderung ihrer Mutter, sie zu loben, eher peinlich, was sie aber hinter dem Ausdruck von Langeweile verbarg. Um sie zu necken, sagte ich: »Eine Leistung, die der göttlichen Sarah gerecht wird.«
    »Haben Sie Fräulein Bernhardt gesehen, als Sie in Paris waren, Herr Graf?«
    fragte Estelle.
    Ich bedauerte jetzt, dieses Thema zur Sprache gebracht zu haben, da ich für gewöhnlich meinen Aufenthalt in Frankreich in geheimnisvolles Dunkel hülle und es lieber der Phantasie der Leute überlasse, sich auszumalen, wie ich meine Zeit dort verbracht habe.
    »Leider nicht«, erwiderte ich. »Ich war zu sehr mit meinen medizinischen Studien beschäftigt und hatte wenig Zeit, ins Theater zu gehen.«
    »Aber wir wollen Sie nicht aufhalten, Herr Graf«, sagte Theissen, dessen Neugier in bezug auf den Grund meines Besuchs noch immer nicht befriedigt war.
    »Ich benötige eine Geburtstagstorte«, erklärte ich.
    Ich hätte dieser Familie keine größere Freude bereiten können. »Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, daß wir Ihren höchsten Ansprüchen genügen können«, verkündete Theissen stolz und unterwürfig zugleich.
    »Ich möchte etwas ganz Besonderes.«
    »Ja.«
    »Etwas sehr... Künstlerisches.«
    »Ja!«

    »Etwas Hübsches, Dekoriertes, das meiner Frau gefallen wird«, stammelte ich.
    Frau Theissen rang in freudiger Erwartung die Hände. Der Bäcker machte bei jeder neuen Forderung Augen, die sich vor Konzentration zusammenzogen. Er war wie ein Bildhauer, darauf erpicht, die mystischen Anspielungen seines päpstlichen Patrons in Marmor zu hauen. Estelle

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