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Das geheime Leben des László Graf Dracula

Das geheime Leben des László Graf Dracula

Titel: Das geheime Leben des László Graf Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roderick Anscombe
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Hautfalte, fast wie ein Schnitt, wodurch das Gesicht ein ernstes Aussehen bekommt, das Aussehen eines Mannes, der sich selbst verleugnet und das gleiche von anderen erwartet. Nur das Glitzern in den Augen zeigt, daß da noch etwas anderes ist.
    Das Kribbeln in meinem Bauch ist wie das Auftauen im Frühling. Ich kehre ins Leben zurück. Ich habe in den ersten Seiten dieses Buchs geschmökert. Ich bin weiser als der junge Narr, der aus Paris geflohen ist. Heute könnte mich Stacia nicht mehr hereinlegen, und ich würde mich auch nicht mehr von Lothar beeinflussen lassen. Ich habe nur Angst, vielleicht zu lange gewartet zu haben.
    Estelle wartete vor dem Laden auf mich, und ich sah die Farbe auf ihren Wangen. Stacia hätte sich ein paar Minuten lang im hinteren Teil des Ladens unsichtbar gemacht, wäre nicht verfügbar gewesen, und hätte dann so getan, als wäre sie im ersten Augenblick überrascht, mich zu sehen, als hätte sie unsere Verabredung völlig vergessen. Estelle ist viel offener. Tatsächlich war sie von meinem Besuch so begeistert, daß ich schon Angst bekam, ihre Eltern könnten Verdacht schöpfen und merken, daß irgend etwas nicht stimmt. Sie standen erwartungsvoll da, verbeugten sich und lächelten vor Stolz über die Aufmerksamkeit, die ihrer Tochter zuteil wurde.
    Sie war in ein entzückendes Kleid aus blaßblauem Musselin gekleidet, das die weiche goldene Farbe ihres Haars betonte. Sie war ständig in Bewegung, nahm Skizzen in die Hand oder eilte hinüber zu der Glasvitrine, um mir eine Torte zu zeigen, die mit derselben Art Zuckerguß verziert war, den sie mir beschrieben hatte. Ich war bezaubert.
    »Ich hatte ja keine Ahnung, daß das Ausschmücken einer Torte soviel Begeisterung auslösen könnte«, sagte ich, und Theissen und seine Frau strahlten vor Freude. Estelle merkte, daß ich sie necken wollte, und warf mir heimlich einen vorwurfsvollen Blick zu. Mir gefiel, wie schnell sie begriff.
    Estelle blätterte für mich die Seiten ihres Skizzenblocks um, und allmählich wurde es schwierig, das Ganze als reine Tortenbestellung hinzustellen. Ich beugte mich über sie, um auf ein Detail in einer ihrer Skizzen hinzuweisen, und atmete den Geruch ihres jungen Körpers ein, den schwachen würzigen Duft des Parfüms, der in ihrer Kleidung hing. Sie kann nicht älter als zwanzig sein.
    »Du lieber Gott!« rief ich, um den Zauber, den sie auf mich ausübte, zu brechen. »Das ist ja sogar noch vollendeter als das Mausoleum meines Großvaters!«
    Die Eltern lachten nervös, wollten mir zeigen, daß ihnen mein Witz gefiel, hatten aber Angst, daß sie mit ihrem ungehemmten Gelächter meine Vorfahren beleidigen könnten. Ich wünschte, sie würden verschwinden, damit ich Estelle für mich allein haben konnte.
    Den Vorgang hinauszögernd, bis ich nicht länger unschlüssig bleiben konnte, legte ich mich auf eine von Estelles Schöpfungen fest, die an ein gotisches Bauwerk erinnerte. Wir einigten uns auf die Substanz oder vielmehr das Fundament, das die Torte haben sollte, um den Aufbau darüber tragen zu können. Ich wählte die Farbe des Zuckergusses aus, wir besprachen die Füllung mit Erdbeermarmelade und trafen eine präzise Abmachung wegen der Lieferung dieses Meisterwerks auf das Schloß. Schließlich gab es für mich keinen vernünftigen Grund mehr, noch länger zu bleiben, und so war ich gezwungen, mich zu verabschieden.

    25. MAI 1887

    Elisabeth spürt an mir eine Veränderung. »Du bist so unruhig, László, kannst dich nicht länger als fünf Minuten auf die Zeitung konzentrieren.«
    Es gelang mir, einfältig zu lächeln, während sie von ihrer Stickerei aufblickte.
    Sie ist eine genaue Beobachterin, und ihr bleibt nichts verborgen. Sie merkt, daß ich etwas vorhabe. Ich habe sorgfältig kleine Hinweise ausgestreut, die bei ihr den Verdacht wecken sollen, daß ich eine Überraschung vorbereite. Ich möchte gern, daß sie glaubt, meine unterdrückte Erregung habe etwas mit ihrem Geburtstag zu tun, dann wird sie nicht weiter nach den Ursachen meiner Zerstreutheit forschen, weil sie sich den Spaß an der Überraschung nicht selbst verderben möchte – das heißt, meine Freude daran, mit einer Überraschung aufzuwarten, nicht ihre Freude, sie entgegenzunehmen, denn es sind immer die Gefühle der anderen, denen Elisabeth große Bedeutung beimißt.
    »Vielleicht solltest du zu einem Besuch nach Budapest fahren«, schlug sie vor. »Die Veränderung würde dir guttun. Es bekommt dir nicht, Jahr für Jahr in

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