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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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Wie pompös sich das anhört.
    »Beth ist hier?«, unterbricht mich Dinny und dreht sich zu mir um.
    »Ja, aber … Ja, sie ist hier.« Ich wollte sagen … aber sie ist jetzt anders, sie will nicht herauskommen. »Du solltest mal hoch zum Haus kommen und Hallo sagen«, füge ich hinzu, obwohl ich weiß, dass er das nicht tun wird.
    Sechs Wagen stehen auf dem Lagerplatz – mehr als früher. Zwei Transporter, zwei Wohnmobile, ein großer alter Pferdetransporter und ein umgebauter Armee-Krankenwagen, von dem Dinny sagt, das sei seiner. Rauchfähnchen kräuseln sich aus Ofenrohren, und Kreise aus kalter Asche sind über den Boden verstreut. Harry geht mit forschem Schritt voraus, setzt sich auf einen Baumstumpf, hebt etwas vom Boden auf und beginnt konzentriert daran zu arbeiten. Als wir näher kommen, rasen drei Hunde auf uns zu und bellen scheinbar sehr gefährlich. Ich kenne diese Nummer. Ich stehe still, mit hängenden Armen, und lasse sie herankommen, mich beschnuppern und sehen, dass ich nicht weglaufe.
    »Deine?«
    »Nur zwei – der Schwarz-Rote gehört meinem Cousin Patrick. Das hier ist Blot.« Dinny krault einem bösartig aussehenden schwarzen Mischling mit mächtigem Gebiss und vernarbtem Gesicht die Ohren. »Und das ist Popeye.« Ein kleinerer, sanft wirkender Hund mit struppigem braunem Fell und freundlichen Augen. Popeye leckt die Finger, die Dinny ihm hinstreckt.
    »Also … äh, arbeitest du hier? Was machst du eigentlich beruflich?«, greife ich auf das erprobte Smalltalk-Thema zurück, und Dinny zuckt mit den Schultern. Einen Augenblick lang denke ich, dass er vielleicht von Sozialhilfe lebt, stiehlt oder Drogen verkauft. Aber das sind Merediths Gedanken, und ich schäme mich dafür.
    »Zurzeit gar nichts. Wir reisen das Jahr über der Arbeit hinterher. Feldarbeit, Lokale, Festivals. Zu dieser Jahreszeit herrscht immer Flaute.«
    »Das muss schwer sein.«
    Dinny wirft mir einen raschen Blick zu. »Es ist in Ordnung, Erica«, sagt er milde. Er fragt nicht, was ich mache. Anscheinend habe ich auf dem kurzen Weg zum Lager den gesamten Bonus einer Kindheitsfreundschaft aufgebraucht.
    »Dein Krankenwagen gefällt mir«, sage ich ein wenig verzweifelt. Im selben Moment fliegt krachend die Tür auf, und ein Mädchen steigt schwerfällig aus. Sie drückt die Hände ins Kreuz und streckt sich mit einer schmerzhaften Grimasse. Ich erkenne sie sofort – das ist die junge Schwangere aus dem Grabhügel. Aber sie kann höchstens fünfzehn, sechzehn sein. Dinny ist genauso alt wie Beth: fünfunddrei ßig. Ich sehe mir das Mädchen genauer an und versuche, es auf achtzehn oder neunzehn zu schätzen, aber das geht nicht.
    Die junge Frau hat Ringellocken in einem leuchtenden Naturblond, das man heutzutage nur noch selten sieht. Ihre Haut ist blass, und sie hat blaue Schatten unter den Augen. In dem engen, gestreiften Stretchpulli ist nicht zu übersehen, wie nah der Geburtstermin sein muss. Sie sieht mich bei Dinny stehen und kommt mit finsterer Miene zu uns herüber. Ich bemühe mich, zu lächeln und möglichst unbefangen zu wirken. Sie sieht noch böser aus als Blot.
    »Wer ist das?«, verlangt sie zu wissen und stemmt die Hände in die Hüften. Sie spricht mit Dinny, nicht mit mir.
    »Erica, das ist Honey. Honey, Erica.«
    »Honey? Freut mich, dich kennenzulernen. Es tut mir leid, dass ich dich neulich erschreckt habe, oben am Grabhügel«, sage ich in einem fröhlichen Tonfall, von dem ich insgeheim und zu meinem Entsetzen glaube, dass das meine Lehrerinnenstimme ist.
    Honey mustert mich mit ausdruckslosen, müden Augen. »Du warst das? Du hast mich nicht erschreckt.« Sie spricht mit deutlichem Wiltshire-Akzent.
    »Nein, na ja. Nicht erschreckt, aber …« Ich mache eine vage Geste. Sie sieht mich lange an. Ein sehr prüfender Blick für einen so jungen Menschen. Ich bin richtig erleichtert, als sie sich wieder Dinny zuwendet.
    »Der Ofen zieht nicht richtig«, sagt sie.
    Dinny seufzt und hockt sich hin, um mit den Fingern durch Popeyes Fell zu fahren. Die ersten Regentropfen landen auf unseren Händen und Gesichtern.
    »Ich kümmere mich gleich darum«, sagt er besänftigend zu ihr. Sie starrte ihn an, wendet sich dann ab und geht wieder hinein, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Für einen Moment bin ich sprachlos.
    »Also … wann ist der Termin? Muss bald sein, oder?«, frage ich dann verlegen und hoffe, dass sie mich von drinnen nicht hören kann.
    »Kurz nach Weihnachten«, antwortet Dinny und

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