Das Geheimlabor
Er wirkte wie eine Insel der Zuflucht in dieser verrückten, gefährlichen Welt. Sie ging auf ihn zu, und ihre Beine bewegten sich schneller und schneller, bis sie lief. Sie sehnte sich nach der Sicherheit seiner Arme, der Arme eines Mannes, den sie kaum kannte. Doch die Arme, die sie an seine Brust zogen, fühlten sich nicht wie die eines Fremden an. Sie fühlte das Klopfen seines Herzens, den Druck seiner Finger an ihrem Rücken, und etwas sagte ihr, dass dies ein Mann war, auf den sie sich verlassen konnte, ein Mann, der nicht versagte, wenn sie ihn am meisten brauchte.
„Ich bin ja da“, murmelte er, strich über ihr zerzaustes Haar. Sein Atem an ihrem Gesicht beschleunigte sich, und dann suchte sein Mund hungrig den ihren. Er küsste sie. Sie antwortete mit einem genauso verzweifelten Kuss. War er auch ein Fremder, so war erdoch für sie da gewesen, war es noch, und seine Arme schützten sie vor den Schrecken der Nacht.
Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. „Ich weiß nicht, was ich machen soll! Ich habe solche Angst, Victor, und ich ...“
„Wir finden schon zusammen eine Lösung, in Ordnung?“ Er legte seine Hände an ihr Gesicht. „Sie und ich, wir werden siegen.“
Sie nickte und fand in seinem festen Blick alle Sicherheit, die sie brauchte.
Ein Windstoß fuhr durch die Straße. Cathy schauderte. „Was machen wir als Erstes?“ flüsterte sie.
„Zuerst wärmen wir Sie auf.“ Er zog seine Windjacke aus und hängte sie ihr um die Schultern. „Ein heißes Bad, ein gutes Abendessen, und Sie funktionieren wieder wie neu.“
Es waren noch einmal fünf Querstraßen bis zu dem Kon-Tiki Motel. Sie stiegen die Stufen zu Zimmer 214 mit Blick auf den halb leeren Parkplatz hinauf. Victor schloss die Tür auf.
Die Wärme an ihren Wangen war herrlich. Sie stand mitten in diesem absolut nüchternen Raum und staunte, wie gut es sich anfühlte, von vier Wänden umgeben zu sein.
„Nichts Besonderes“, meinte Victor, „aber warm. Und bezahlt.“
Er schaltete den Fernseher ein. „Achten wir auf die Nachrichten. Vielleicht gibt es etwas über diese Weaver.“
Diese Weaver, dachte sie. Das hätte ich sein können.
Sie ließ sich auf das Bett sinken. Victor kam zu ihr, drehte ihre Hände herum. Sie blickte auf blutige Kratzer und Rostspuren hinunter, die sich in ihre Haut gefressen hatten.
„Ich sehe wahrscheinlich scheußlich aus“, murmelte sie.
Er lächelte und streichelte ihr Gesicht. „Sie könnten eine Reinigung gebrauchen. Ich besorge unterdessen etwas zu essen.“
Cathy verschwand im Bad, und als sie wieder herauskam, war Victor verschwunden.
Rasch sah sie sich in dem Raum um auf der Suche nach Anhaltspunktenüber den Mann. Sie fand nichts außer seiner Nylontragetasche und blickte hinein. Ein paar frische Socken, ein ungeöffnetes Päckchen Unterwäsche, der San Francisco Chronicle von gestern. Ebenfalls gestern hatte er versucht, Geld am Automaten abzuheben. Der Automat hatte eine Nachricht ausgedruckt: Auszahlung kann nicht ausgeführt werden. Bitte setzen Sie sich mit Ihrer Bank in Verbindung.
Das Geräusch eines Schlüssels im Schloss überraschte sie. Sie blickte hoch, als die Tür aufschwang.
Unter Victors Blick wurde sie rot, stand langsam auf und konnte nicht auf seinen stummen Vorwurf antworten. Sie wusste nicht, wie er reagieren würde.
Die Tür fiel hinter ihm zu.
„Vermutlich ist es vernünftig, dass Sie so etwas tun ...“
„Es tut mir Leid. Ich habe nur ...“ Sie schluckte. „Ich musste mehr über Sie erfahren.“
„Und welche schrecklichen Dinge haben Sie ans Tageslicht gebracht?“
„Nichts!“
„Keine dunklen Geheimnisse? Haben Sie keine Angst. Sagen Sie es mir, Cathy.“
„Nur ... nur, dass Sie Schwierigkeiten hatten, Bargeld von Ihrem Konto abzuheben.“
Er nickte. „Ein frustrierender Zustand. Auch wenn ich ungefähr sechstausend Dollar auf dem Konto habe, komme ich nicht dran.“ Er setzte sich. „Was haben Sie noch herausgefunden?“
„Sie ... Sie lesen Zeitung.“
„Das tun viele Menschen. Was noch?“
Sie zuckte die Schultern. „Sie tragen Boxershorts.“
Seine Augen funkelten amüsiert. „Jetzt werden wir aber persönlich.“
„Sie ...“ Sie holte tief Luft. „Sie sind auf der Flucht.“
Er sah sie eine Weile schweigend an.
„Deshalb wollen Sie nicht zur Polizei gehen, nicht wahr?“
Er wandte sich ab. „Es gibt Gründe.“
„Nennen Sie mir einen, Victor. Ein einziger guter Grund ist alles, was ich brauche. Dann halte ich
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