Das Geheimnis Dauerhaften Gluecks
die sie suchte. Rita war nach einer gescheiterten Beziehung schon sieben Jahre lang Single und wollte einfach kein Risiko mehr eingehen.
Das erste Telefonat war kurz, aber die warme Stimme dieses Mannes ging Rita nicht mehr aus dem Sinn. Ganz zart und sanft baute sich ein Kontakt zwischen den beiden auf und bald schon führten beide häufiger längere Telefongespräche. Auch Eberhard war an einer ernsthaften Beziehung interessiert, hatte aber aufgrund seiner beruflichen Belastung als Versicherungsfachmann wenig Zeit für die Partnersuche. Er lebte allein und hatte immer nur kürzere Liebschaften, die aber meist seitens der Frauen beendet wurden. Er war vorsichtig geworden und wollte sein Herz nicht mehr so gutgläubig öffnen. Aber in den langen und immer länger werdenden Gesprächen mit Rita, die er bis dahin immer noch nicht persönlich getroffen hatte, entspann sich ein Band von Sympathie und Wohlgefühl.
Beide erlebten zum ersten Mal, dass sie mit einem anderen Menschen über alles reden konnten. Sie teilten sich nahezu alles mit, was sie gerade beschäftigte. Rita berichtete von ihrem ständigen Büroärger, der im Zusammenhang mit ihrer unzuverlässigen Kollegin stand und sie immer wieder neue Geschichten erzählen ließ. Eberhard hatte in Rita diegeeignete Zuhörerin, wenn er von unfreundlichen Kundenkontakten genervt war. Aber auch andere Dinge, Erlebnisse und kleine Episoden des Alltags konnten sie sich gegenseitig anvertrauen. Bewusst zögerten beide ihr erstes Treffen hinaus, denn sie wollten sich nicht von Äußerlichkeiten ablenken oder gar enttäuschen lassen. Es verging ein halbes Jahr, bis sie ein erstes Treffen wagten. Und es vergingen weitere vier Jahre, bis sie zusammenzogen.
Zwischen Rita und Eberhard war es zur Paarkultur geworden, über alles mit größter Ausdauer zu reden, denn das hatte sie einander von Anfang an so vertraut werden lassen. Ihre stundenlangen Gespräche wurden als fester Programmpunkt des Tages meist abends eingeplant. Wenn etwas nicht ausreichend besprochen war, dann konnte es nicht weitergehen.
Ein Wochenende wurde von ihnen genau geplant und bezüglich aller erfassbaren Bedingungen durchgesprochen. Wenn Eberhard spontan die Idee hatte, am Wochenende den Keller auszumisten, dann erhielt er meist die bremsende Antwort: »Nein, lass uns das erst in Ruhe bereden.« Alles wurde von allen Seiten beleuchtet, und wenn eine Entscheidung nicht optimal in die Lebensplanung passte, wurde sie verschoben. So wurde auch der Einzugstermin immer wieder hinausgezögert und mit Argumenten wie »Nein, erst wenn das Projekt in der Firma beendet ist« oder »Erst wenn ich meine Mutter im Altersheim sicher und zuverlässig untergebracht habe« begründet. Sie fühlten sich beide wohl damit, die Gewissheit zu haben, ihr Leben in größter Einvernehmlichkeit und unter Erwägung aller Risiken zu organisieren.
In der Sexualität sprachen sie lange über das, was sie fühlten und was sie ängstigte und was sie nicht wollten und wie sie sich das intime Szenario vorstellten. Aber oft kam es dann gar nicht mehr dazu, weil sie zu müde waren oder weilsie keine rechte Lust hatten. Hier hatte besonders Rita ganz klare Vorstellungen davon, wie sie sich intime Begegnungen mit Eberhard wünschte. Das Licht musste so sein, lieber am Tag X und nicht am Tag Y, denn da musste sie morgens früher raus, das Tempo so, vorher musste das sein und hinterher das. Eberhard versuchte in langen Gesprächen, ihre Wünsche herauszufinden, sie beredeten immer wieder alle Details, wenn es nicht zur Zufriedenheit verlief. Eberhard hätte Rita gerne einmal spontan verführt, sie überrascht und überwältigt. Aber das traute er sich nicht. Seinem Freund gestand er irgendwann enttäuscht: »Wenn ich Sex planen muss, wenn immer erst alles besprochen werden soll, dann ist doch gleich alles verloren.«
Als sie sich mit der Kinderfrage beschäftigten, entstanden schließlich vermehrt Auseinandersetzungen. Beide wollten weiter berufstätig sein und es wurde genau kalkuliert, wer von beiden bei einer Teilzeitarbeit mit welcher Lohneinbuße zu rechnen hatte. Es gab Aufstiegschancen für Rita, deren Chef sie gern als Chefsekretärin gesehen hätte; Eberhard rechnete mit der Übernahme einer Beratungsagentur. Beide fürchteten Fehlentscheidungen und verpasste Chancen. Alles wurde immer wieder durchgesprochen, um den »richtigen Zeitpunkt« herauszufinden. Gleichzeitig lief Rita nun die Zeit davon und sie empfand Eberhard hier als
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