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Das Geheimnis der 100 Pforten

Das Geheimnis der 100 Pforten

Titel: Das Geheimnis der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N D Wilson Dorothee Haentjes
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für die Kompass-Schlösser. Er blätterte wieder ein paar Seiten zurück.
    Allerdings führen eine Reihe von Kombinationen zu gar nichts. Sie könnten zu etwas führen, wenn weitere Fächer gefunden und zugeordnet werden. Dies ist im Moment aber nicht der Fall. Solange die
Schlösser auf eine dieser »leeren« Kombinationen eingestellt sind, wird die Rückwand des Schranks so undurchdringlich bleiben wie jede andere Schrankwand. Nichts wird hindurchgelangen, weil sie in unserem eigenen Universum endet. Der Vorteil dessen ist, wie ich früh herausgefunden habe, dass auf diese Weise auch von der anderen Seite nichts hindurchschlüpfen kann. Ich kann nirgends hin, aber ich wache auch nicht auf und finde mich plötzlich in ein und demselben Raum mit einem Nobelhog wieder - wie es mir zweimal widerfahren ist. Bevor ich die Kompass-Schlösser dauerhaft auf das eingestellt hatte, was meine zweite Heimat werden sollte, bin ich nie schlafen gegangen, ohne mich zu vergewissern, dass die Schlösser auf eine leere Kombination eingestellt waren und die Rückwand meines Schrankes undurchlässig war. Dies verhindert natürlich nicht, dass Dinge in die Fächer auf dem Dachboden vorzudringen versuchen. Dazu müssen sie aber recht klein sein und außerdem stark genug, die Tür von der Innenseite mit Gewalt zu öffnen (wobei die erstaunlichste Ausprägung dieser Art der Junge Henry war).
    Henry hustete und las die Zeile noch mal. Dort war von ihm die Rede, als Einschub in Klammern, als eine Art
Randbemerkung. Seine Augen flogen noch einmal über die Wörter und dann wieder weiter durch den Text, in der Hoffnung, so etwas wie eine Erklärung zu finden.
    Nachdem ich die Kombination durch Putz unverrückbar eingestellt hatte, hielt ich die Tür dennoch immer fest verschlossen, wenn ich sie nicht gerade benutzt habe. Auf den nächsten Seiten habe ich die Kombinationen für sämtliche Fächer aufgeschrieben. Sobald eine dieser Kombinationen eingestellt ist, hat mein Fach keine Rückwand mehr. Eigentlich ist die Rückwand zwar noch da - die Wand, an der es angebracht ist -, aber noch bevor das Fach auf die Wand trifft, grenzt es an einen anderen Ort.
    Henry saß da und rührte sich nicht. Auf die Fragen, die ihm im Kopf herumgingen, hatte er zwar keine Antwort gefunden, aber dafür hatte er den Mechanismus der Fächer aufgedeckt. Er wusste zwar nicht, wie er genau arbeitete und warum, aber er ging davon aus, dass er funktionierte.
    Es war sehr spät. Zu gerne hätte Henry beide Notizbücher von vorn bis hinten und noch mal von vorn durchgelesen. Er wollte genau wissen, wer er war und woher er kam. Aber Henrietta war verschwunden! Er hatte keine Zeit.

    Henry wusste genau, was er als Nächstes zu tun hatte. Er musste nach oben gehen und herausfinden, durch welches Fach Henrietta verschwunden war. Danach musste er durch die kleine Tür in Großvaters Zimmer kriechen. Möglicherweise kroch er nach Hause, ohne zu wissen, dass dies sein eigentliches Zuhause war. Möglicherweise kroch er auch an einen Ort, der schlimmer war als Endor.
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, Großvaters Zimmer zu verlassen. Die Tür konnte er nicht schließen, weil Henrietta noch immer den Schlüssel hatte. Auch das Licht schaltete er nicht aus, weil er nicht in ein dunkles Zimmer zurückkommen wollte. Oben auf dem Dachboden setzte er sich auf sein Bett und betrachtete die Kompass-Schlösser. Wenn er das, was im Notizbuch stand, richtig verstanden hatte, legte die Kombination, die er einstellte, fest, in welches Fach oder an welchen Ort er gelangte, wenn er in das größere Fach im unteren Stockwerk kroch. Bevor sie das dumpfe Poltern gehört hatten, hatte Henrietta an einem Knopf gedreht - die Kombination musste also etwas hindurchgelassen haben. Danach war Henrietta hinuntergegangen, um das Licht auszumachen und die Tür zu Großvaters Zimmer zu schließen. Was auch immer es sein mochte - es musste Henrietta durch die Pforte mit zurückgenommen haben.
    »Oder sie ist ihm gefolgt«, mutmaßte Henry halblaut.

    Und dann, nachdem Henrietta nach unten gegangen war und während er auf sie wartete, hatte Henry noch mal an den Knöpfen gedreht. Darum war die Pforte nun wieder verschlossen.
    Henry spürte, wie sich seine Gesichtsmuskeln anspannten. Seine Augen wurden ein bisschen feucht und schlossen sich, als er gähnte - ein langes, ausgiebiges Gähnen. Er war nicht müde. Er war auch nicht gelangweilt. Er war nervös. Nervöser, als er jemals gewesen war. Er gähnte noch

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