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Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman

Titel: Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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Mondino mit dem Gedanken ein, dass er das letzte Boot nach Bologna versäumt hatte, und versank dann in wirre Träume, in denen auf irgendeine Weise alle Ereignisse dieses langen Tages vorkamen: die Gehirnoperation an Hugues de Narbonne, die drei bewaffneten Männer, die in Adias Haus eingedrungen waren, ihre traurigen Hunde und der Duft ihrer warmen Haut.
     
    Uberto da Rimini versuchte vergeblich, seinen Zorn zu verbergen. Er konnte sich vor dem Erzbischof von Ravenna keinen Wutausbruch erlauben. Und dennoch schien es Rinaldo da Concorezzo darauf anzulegen, dass er seine Selbstbeherrschung verlor. Kaum war er angekommen, hatte er sich in Ubertos Arbeitszimmer eingerichtet und sich alle Unterlagen
zum Prozess gegen die Tempelritter bringen lassen. Erst als ihm alles vorlag, hatte er nach ihm geschickt. Jetzt, nach einem kargen Mahl, unterzog er ihn einem regelrechten Verhör. Uberto betete nur stumm, dass er nicht aus Versehen zwischen seinen Papieren irgendeine verräterische Notiz zurückgelassen hatte.
    Doch Rinaldo schien sich am meisten für den Mord an dem Deutschen zu interessieren.
    »Monsignore«, sagte Uberto und bemühte sich, nicht herausfordernd zu klingen, »ich bin sicher, dass der Mord an dem Tempelritter Wilhelm von Trier, der in Santo Stefano tot aufgefunden wurde, der zweite seiner Art in Bologna ist. Wie ich Euch bereits das letzte Mal gesagt habe, wurde der erste nur nicht entdeckt, weil die Leiche zusammen mit dem Mörder verschwunden ist.«
    »Ich bezweifele ja nicht, dass Ihr davon überzeugt seid«, antwortete der Erzbischof. »Und ich bin auch bereit zu glauben, dass es sich wirklich so abgespielt hat, wie Ihr sagt, Pater Uberto.« Er schwieg kurz und starrte auf die über den Tisch verstreuten Papiere und Pergamente, als suche er dort eine Eingebung. »Aber in einem Punkt verstehen wir uns weiterhin nicht: Persönliche Überzeugungen müssen von Beweisen bestätigt werden, um in einem Prozess von Bedeutung zu sein.«
    Uberto hätte dem Erzbischof gerne erzählt, dass es Beweise gab, und zwar genug: einen Toten, in dessen Brust anstelle des Herzens ein Loch klaffte, und einen Mann, der ihn erst umgebracht und dann zwei Totengräber bezahlt hatte, um ihn in einem namenlosen Massengrab verschwinden zu lassen. Aber er wusste, dass er auf der Hut sein musste. Wenn er der Versuchung nachgab und dem Erzbischof die Wahrheit enthüllte, würde Rinaldo da Concorezzo alles zum Scheitern bringen. Sein Wahn, dass alles genau nach dem Gesetz zuzugehen habe, und seine beharrliche Ablehnung, die Folter anzuwenden, um
Geständnisse zu erhalten, würden seine Pläne vereiteln. Womöglich würde der Erzbischof ihm sogar Strafen auferlegen, wenn er erführe, dass Uberto Mondino de’ Liuzzi erpresste, um ihn zu einer Zeugenaussage im Prozess zu zwingen.
    »Ich bin ganz Eurer Meinung, Monsignore«, sagte der Inquisitor deshalb nur. »Und ich tue mein Möglichstes, um die notwendigen Beweise zusammenzutragen.«
    Er fühlte sich seltsam, wie er da in seinem eigenen Arbeitszimmer auf der anderen Seite des Schreibtischs auf einem unbequemen Stuhl saß. Am liebsten wäre er aufgestanden und hätte seine Unterlagen geordnet, nur um sich wieder als Herr in seinem eigenen Haus zu fühlen, doch die Etikette ließ dies nicht zu.
    »Was gedenkt Ihr, in diesem Fall genau zu tun?«, fragte Rinaldo.
    Jetzt war der Moment der Entscheidung gekommen. Bisher hatte sich Uberto mit Halbwahrheiten und Auslassungen durchlavieren können. Doch nun musste er den entscheidenden Schritt tun und den Erzbischof bewusst anlügen. Eine Lüge im Namen des Glaubens war keine eigentliche Sünde, doch sicher sah Rinaldo das anders. Sollte er hinter das falsche Spiel seines Inquisitors kommen, würde er ihn seines Amtes entheben. Während er die Decke betrachtete, als würde er sich sammeln, fühlte Uberto Hass in sich aufsteigen. Warum war der Erzbischof nicht noch einige Tage in seiner Burg von Argenta geblieben, inmitten der ferraresischen Sümpfe? Wenn er erst einmal das Geständnis des jungen Gefangenen im Palazzo des Podestà in Händen und eine schriftliche Aussage von Mondino de’ Liuzzi hatte, wäre es zweitrangig, auf welche Weise er sie erhalten hatte. Dann zählte nur noch das Ergebnis. Und falls es Schwierigkeiten gäbe, könnte Uberto sogar den Erzbischof übergehen und eine Nachricht direkt an den Papst schicken.

    Stattdessen hatte Rinaldo sich jedoch ausgerechnet diesen fatalsten aller Augenblicke ausgesucht, um ihnen einen

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