Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
wimmelte von Wasserfahrzeugen aller Arten: von den einfachen Stakkähnen, die sich geschickt sogar durch die flachsten Gewässer bewegten und zum Transport von kleinen Lasten dienten, über die imposanteren, »Rascona« genannten Kähne mit ihren trapezförmigen Segeln, mit denen man den breiten Po und sogar das offene Meer befahren konnte. Mondino beobachtete gebannt die Schiffe und die Verkaufsverhandlungen, die praktisch überall stattfanden: auf den Kaimauern, an hastig aufgebauten Ständen, in den großen, fest gemauerten Lagerhäusern an den Ufern. Eines der Lagerhäuser
erregte seine Aufmerksamkeit, denn es hatte ein vorgelagertes eigenes Landungsbecken, so dass die kleineren Boote unter einem Bogen hindurch direkt in das Gebäude fahren und dort ihre Waren entladen konnten. Dieser Anblick erinnerte Mondino an Beschreibungen, die er über Venedig gehört hatte, und auf einmal, vielleicht durch all diese Boote um ihn herum, erfasste ihn eine große Reiselust. Er spürte den Wunsch, neue Orte zu sehen und sein Leben nicht mehr länger nur auf eine einzige Stadt zu beschränken.
Adia schien sich sehr gut mit Booten, Segeln und Bemastungen auszukennen und erklärte ihm auf ihrem Weg ihre unterschiedlichen Funktionen. Auf Mondinos Frage, ob sie sehr viel gereist sei, antwortete die Frau, dass sie stundenlang über all die Orte reden könnte, an denen sie gewesen sei.
Endlich erreichten sie das Gasthaus, das sie anstrebte, ein für dieses Dorf eigentlich viel zu großes Gebäude, in dessen unterem Teil die Taverne lag und darüber zwei Stockwerke mit zahlreichen Gastzimmern. Der Wirt empfing Adia sehr herzlich, sagte ihr, sie könne so lange bleiben, wie sie wünschte, und wollte nichts von Bezahlung hören.
»Ich habe seine Tochter von einer schlimmen Gürtelrose geheilt«, erklärte Adia, während sie ihre Tiere im Hof hinter dem Haus unterbrachte.
»Was habt Ihr dazu benutzt?«, fragte Mondino neugierig.
»Blätter vom Holunderstrauch, als Sud, und Umschläge. Aber wenn ich ehrlich sein soll«, fügte sie lächelnd hinzu, »habe ich den Eindruck, dass die Krankheit von selbst zurückgegangen ist, nachdem sie ihren üblichen Verlauf genommen hatte.«
Nachdem beide sich frisch gemacht hatten, Adia in ihrem Zimmer und Mondino am Brunnen im Hof, schlug sie ihm vor, etwas zu essen, bevor sich ihre Wege trennten.
»Bei all der Aufregung, die Eurer Ankunft in meinem Haus
gefolgt ist, erinnert mich mein Magen erst jetzt daran, dass ich nichts zu Mittag gegessen habe. Und hier gibt es ein ausgezeichnetes, in Wein geschmortes Kaninchen.«
Mondino nahm ihren Vorschlag sofort an und das mit einer Begeisterung, die die Umstände keineswegs rechtfertigten. Als sie den Schankraum betraten, fanden sie ihn voller Menschen. Der Wirt erklärte ihnen, er hätte im Augenblick keinen Platz für sie, und bat sie, im oberen Stockwerk zu essen, er versicherte, er würde ihnen das Essen möglichst schnell dorthin bringen lassen. Mondino glaubte, dass er sie für ein Paar hielt, und wollte schon protestieren, doch Adia zupfte ihn am Ärmel seines Gewandes und gab ihm zu verstehen, er solle es lassen.
Während sie die Stufen hinaufgingen, erklärte sie: »Er ist zu höflich, um es zu sagen, aber hier kennen mich viele Leute, und er möchte nicht, dass seine Gäste sich erschrecken, wenn sie eine Hexe im Schankraum sehen.«
Sie aßen in einem privaten Raum neben Adias Zimmer, der mit einem niedrigen Tisch und zwei kleinen roten Samtsofas ausgestattet war. Eigentlich war es eher Zeit für ein Abendals für ein Mittagsmahl, und die Sonne, die sich schon ziemlich weit nach Westen in Richtung Modena abgesenkt hatte, tauchte den Raum in einen warmen rötlichen Schein.
Während sie das Kaninchen aßen, mit Brotstücken die Soße auftunkten und einen kühlen und trügerisch leichten Trebbiano dazu tranken, unterhielten sie sich weiter über Alchimie und all die Orte, an welche Adias Wissensdurst sie geführt hatte. Sie war in Griechenland gewesen, wo sie die Ruinen des Parthenon und die Burg von Athen gesehen hatte. Von Sizilien aus hatte sie sich nach Barcelona eingeschifft, war zu Fuß zur Basilika von Santiago de Compostela gewandert und hatte von dort aus die Pyrenäen überquert, um schließlich südwärts nach Bologna zu reisen.
Nun würde sie nach Venedig gehen, war ihr Plan, wo sie einen jüdischen Gelehrten besuchen wollte, von dem sie sehr viel gehört hatte, und danach würde sie nach Frankreich weiterziehen.
Mondino
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