Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
sagte. Falls Guido wirklich Zeuge des Mordes geworden war, konnte man den Fall als abgeschlossen betrachten. Und der Prozess gegen die Templer würde trotz der sonderbaren Empfindlichkeit des Erzbischofs mit einer exemplarischen Strafe enden. Was sollte Rinaldo gegen diese erdrückende Wahrheit auch sagen? Ein Mönch, der sich als Student ausgab und auf teuflische Weise drei Mitbrüder umbrachte, und das im Verein mit einem Arzt, der schon immer gegen die Kirche war. Dieser Umstand würde sogar die Inquisitoren der Franziskaner beeindrucken, die mit ihrem falsch verstandenen Mitleid das letzte Hindernis bildeten, das es zu überwinden galt, um dieses Unkraut Templerorden aus dem Garten der Kirche auszumerzen.
»Wenn du alles gesehen hast, warum hast du nicht sofort die Sbirren gerufen, damit sie sie auf frischer Tat ertappen?«,
fragte er plötzlich misstrauisch. »Und gesetzt den Fall, dass du es aus irgendeinem Grund, den du mir noch erklären wirst, nicht gleich tun konntest, warum bist du dann nicht sofort danach zu mir gekommen? Bei so einer Neuigkeit muss alles zurückstehen.«
Guido hatte offenbar erfasst, wie wichtig seine Antwort war, denn er wog seine Worte wohl ab. »Eigentlich habe ich es nicht gesehen«, berichtigte er sich. »Ich hatte mich außerhalb des Hauses versteckt und habe gehört , was sie taten. Sie sprachen von einer Operation am Gehirn, aber ich hätte nie gedacht, dass sie seinen Kopf öffnen würden, um ihn mit Würmern zu füllen. Als sie das Haus verließen, glaubte ich noch, der Mann sei am Leben, und hatte vor, später nach ihm zu sehen. Erst als ich in die Stadtmauern zurückkehrte, habe ich die Nachricht gehört und begriffen, was geschehen war.«
»Haben sie auch vom Herzen gesprochen?«
Wieder zögerte Guido Arlotti einen Augenblick, bevor er antwortete: »Nein, aber wenn es dem Wohl der Kirche dient, kann ich das vor einem Notar beschwören. Natürlich für den Generalablass, um den ich Euch gebeten hatte. Wenn ich einen Meineid schwöre, begehe ich eine Todsünde.«
Uberto lief in dem engen Raum zwischen der Tür und der Wand mit dem Kruzifix auf und ab. Zunächst musste Mondino verhaftet werden. Es hatte keinen Sinn mehr, ihn zu einer Aussage gegen die Tempelritter zu zwingen, da auch er ein Mörder war. Allzu schwer dürfte das Unterfangen, ihn zu fassen, nicht werden, nahm Uberto an, denn der Arzt wusste noch nicht, dass er entdeckt war. Man musste ihn jedoch der Justiz überantworten, bevor er versuchen konnte zu fliehen.
Uberto öffnete das rechteckige Schränkchen und holte seine Schreibutensilien heraus: dickes Papier, eine Feder, ein halbvolles Tintenfass und eine Stange roten Siegellack. Im Stehen verfasste er, über den Tisch gebeugt, eine kurze Nachricht an
den Podestà und wedelte danach hektisch mit dem Blatt, um die Tinte zu trocknen. Nachdem er den Brief gefaltet hatte, nahm er die Kerze auf, die zu Füßen des gemalten Christus stand, und hielt sie an das Siegelwachs, um zwei große Tropfen auf das Papier zu träufeln. Auf das weiche Wachs drückte er seinen Ring und übergab Guido die Botschaft.
»Hier steht, dass ich die umgehende Verhaftung von Mondino de’ Liuzzi, dem bekannten Magister des Studiums, fordere, da er gemeinsam mit Francesco Salimbene, der bereits gefangen gesetzt ist, unter Zuhilfenahme von Zauberkräften einen dreifachen Mord begangen hat«, sagte er. »Bring das dem Podestà und wiederhole ihm, was du gesehen und gehört hast, genau wie du es mir erzählt hast, aber erwähne nicht, dass der junge Mann eigentlich Gerardo heißt. Dieses Wissen möchte ich im Augenblick noch geheim halten. Hast du mich verstanden?«
»Ja, Vater.«
»Dann geh. Komm so bald wie möglich zurück und berichte mir.«
Guido verließ den Konvent, und Uberto ging langsam die Stufen hinauf, um zum Erzbischof zurückzukehren. Angesichts dieser Entwicklungen war er bereit, rückhaltlos zu lügen. Das Spiel näherte sich seinem Ende, und wenn Mondino erst einmal verhaftet war, würde Rinaldo da Concorezzo kaum noch etwas tun können, um ihm Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Es musste ihm nur gelingen, das Ganze noch einige Tage geheim zu halten.
Mein lieber Gerardo,
während ich Dir diesen Brief schreibe, bist du in einer Zelle gefangen. Wenn Du die Wahrheit erfährst, wirst Du glauben, ich sei ein Scheusal - und vielleicht bin ich das auch. Die Narbe,
die mein Gesicht verunstaltet, ist nichts im Vergleich zu der, die ich in meiner Seele trage. Ich weiß,
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