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Das Geheimnis der chinesischen Vase

Das Geheimnis der chinesischen Vase

Titel: Das Geheimnis der chinesischen Vase
Autoren: Stefan Wolf
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Waldrand
untergebracht war. Auf dem großen Parkplatz standen zahlreiche Wagen, denn der
Spielbetrieb begann schon um 14 Uhr.
    Die Spieler kamen von weit her.
Viele hatten die Taschen voller Geld und waren besessen von ihrer Leidenschaft.
Andere spielten nur zum Spaß und hörten auf, sobald der Verlust schmerzte.
    Schaudig kannte sie alle. Er
wusste, wer Plein (volle Nummer), Cheval (zwei verbundene Nummern), Transversale Plein (Querreihe von drei Nummern), Carré (vier Nummern
im Viereck), Transversale Simple (Querreihe von sechs Nummern), Kolonne, Dutzend oder Einfache Chancen spielte.
    Es ödete ihn an. Lieber heute
als morgen hätte er seinen Job als Croupier aufgegeben. Aber das konnte er
erst, wenn er genügend Eingemachtes (Ganovensprache: gespartes Geld) besaß. Erst musste der Coup mit Regina Hübner gelingen. Und dann der mit dem
Pfandleiher Reichert. Ein Jammer sowieso, dass es mit dem Lösegeld nicht
geklappt hatte.
    Im Vorraum des Spielkasinos
begrüßte er die beiden Frauen hinter dem Einlasstresen. Er wusste, dass sie ihn
nicht mochten. Aber man tat höflich und trat sich nicht auf die Zehen. Im
Spiegel prüfte er seinen Anblick. Der Smoking saß gut.
    Er ging in den Spielsaal, wo
vier Roulettetische umlagert waren, und löste seinen Croupierkollegen ab, der
eben sagte: »Rien ne va plus!« (es geht nichts mehr — kein Einsatz mehr
möglich) — und dann die Roulettekugel in den sich drehenden Kessel warf.
    Die Begriffe für das Geschehen
am Spieltisch stammen aus dem Französischen. Schaudig beherrschte die Sprache
recht gut.
    An dem Tisch, den er übernahm,
saßen acht Spieler. Schaudig stellte sich ans Kopfende hinter den Kessel. Auf
französisch forderte er die Spieler auf, für das nächste Spiel ihren Einsatz zu
machen.
    Jeder Spieler hatte ein mehr
oder weniger hohes Türmchen Jetons vor sich. Jetons sind Spielmarken aus
Plastik, die man an der Kasse kauft. Sie sind von unterschiedlichem Wert,
kosten beispielsweise fünf, zehn, 50 oder 100 Mark.
    Auf dem Roulettetisch sind
Zahlenfelder aufgezeichnet: drei Kolonnen nebeneinander, von 1 bis 36.
    Ebenfalls in Zahlen
aufgefächert — von 0 bis 36 — ist der Roulettekessel. Allerdings liegen die
Ziffern nicht hintereinander, sondern die 0 liegt beispielsweise zwischen 26
und 32 — und die 6 zwischen 27 und 34.
    Seinen Einsatz machen,
bedeutet: Eine Zahl auf dem Tisch wählen und dort seinen Jeton setzen.
    Sobald alle Spieler gesetzt
haben, gebietet der Croupier, dass jetzt »nichts mehr geht«.
    Der Kessel wird gedreht. In
entgegengesetzter Richtung wird die Kugel hineingeworfen.
    Sie flitzt über die
Zahlenfächer, springt, hopst, holpert und bleibt schließlich in einem Fach
liegen.
    Diese Zahl hat gewonnen. Und
der glückliche Gewinner kriegt auch das, was die Mitspieler gesetzt haben. Das
heißt, alle Jetons werden ihm zugeschoben. An der Kasse kann er sie in Geld
Umtauschen — es sei denn, er spielt weiter.
    Gewinn auf volle Nummer — ist
die Hauptregel. Dazu kommen viele andere Regeln, die das Spiel spannend und
abwechselungsreich machen — und auch gefährlich für den, der nicht aufhören
kann, sondern sein letztes Geld setzt.
    Heute Abend war nicht viel los.
Die Einsätze kleckerten. Schaudig unterdrückte ein Gähnen.
    Gegen 22 Uhr, als er Pause
hatte, übernahm ein Kollege den Tisch. Schaudig ging zur Bar hinauf. Sie war im
Obergeschoss, der Raum wie ein verstaubtes Boudoir (Damenzimmer) aus dem
vorigen Jahrhundert — mit viel dunkelrotem Plüsch und halbblinden Spiegeln. Das
Licht war so gedämpft, dass man sich kaum zurechtfand.
    Trotzdem — Schaudig sah den
Mann sofort: den Boss, seinen Boss!
    Er saß in der dunkelsten Ecke
an einem kleinen Tisch und trank Kognak.
    Niemand war in der Nähe.
Schaudig setzte sich zu ihm.
    »Kommst du auch mal vorbei?«,
fragte er leise. »Oder ist was passiert?«
    Das fleischige Gesicht blieb im
Halbdunkel. »Ich wollte dir die Kunde persönlich überbringen, Schaudig.«
    »So?«
    Wenn der Boss auf diese Weise
begann, war es selten was Gutes.
    Es kam vorhin in den
Radionachrichten.«
    »Was?«
    »Unser Kidnapping.«
    »Und?«
    Der Boss trank seinen Kognak
aus. Dann verzog er hämisch das Gesicht.
    »Du hattest das richtige Baby,
Schaudig. Das richtige.«
    »Wie bitte? Was?«

    Ein Eiszapfen schien ihm übers
Rückgrat zu streichen.
    »Du hattest Barbara Eichberg,
Schaudig. Aber sie haben dich reingelegt. Sie haben dir einen Bären aufgebunden.
Und du warst happy mit deiner Ludmilla. Der
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