Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
beeinflussen lassen. Nein. Ein Conte von Lucca musste handeln. Mit Instinkt und der Sicherheit, das Richtige zu tun.
Vivica hätte das auch gewollt, dachte Ascanio und atmete tief ein. Er hatte sie so sehr geliebt. Und dann starb sie, kurz nach der Geburt des zweiten Sohnes. Carlo. Sie verließ ihn, nach sieben gemeinsamen Jahren. Es war das Fieber aus den Sümpfen. Nach wenigen Wochen, in denen sie immer schwächer und stiller wurde, verlor er sie. Ihr Herz hörte auf zu schlagen – einfach so –, und als er eines Morgens aufwachte, lag Vivica kalt und weiß in den Kissen.
Di Cavalli ballte in schmerzhafter Erinnerung die Hände zu Fäusten und drückte sie gegen seine pochenden Schläfen. Er würde sie nie vergessen können, niemals. Was nützte all der Reichtum, die Pracht seines Palazzos, die Gewänder aus gefärbter Seide, die kostbaren Möbel aus fernen Ländern, die feurigen Pferde, die Jagdausflüge … er war einsam. Das war die Strafe des Herrn, er fühlte es bis ins Mark.
Er hätte sich nicht wieder vermählen dürfen. Sein Leibdiener Mahmut, den Vivica einst mit nach Lucca gebracht hatte, war bei der Nachricht über die bevorstehende Hochzeit zusammengebrochen. Das hätte ihn warnen sollen, doch er war verrückt gewesen nach Donata. Die erste Frau nach Vivicas Tod, die den Schimmer einer Hoffnung auf neues Glück in ihm geweckt hatte. Sie war noch sehr jung gewesen, als er sie in sein Haus holte, und er hatte Geduld mit der Waise bewiesen und gewartet, bis sie so weit war. Er lachte leise, es klang wie ein heiseres Knurren. Und dann … In Gedanken an diese Demütigung entfuhr dem Conte ein klagender Laut, und sein Gesicht rötete sich. Dann hatte diese kleine Hure ihren Leib an einen anderen verschenkt, und nicht nur das, sie hatte ein Kind empfangen und versucht, ihm den Bastard unterzuschieben. Als ob er, Ascanio di Cavalli, so leicht zu blenden wäre! Er schüttelte heftig den Kopf. Wie hatte er sich in ihr nur so täuschen können. Sie würde im Fegefeuer brennen für diesen Frevel, so viel war gewiss, und er, ihr Gatte, würde weiterhin alles tun, um ihr auch im Diesseits Höllenqualen zu bereiten. Sie hatte sich versündigt, er hatte sich versündigt – doch es gab keinen Weg zurück. Er musste sein Werk an ihr vollenden, und wenn es all seine Kraft kostete.
Donata war ein scheues Mädchen gewesen, sie hatte sich ihm nie richtig geöffnet, gewiss aus Angst. Und er hatte es in der Zeit, als er sie freite, nicht geschafft, ihr diese Angst zu nehmen. Natürlich hatte sie ihn dennoch geheiratet, schließlich war sie sein Mündel, und er allein bestimmte, wer sie zum Weib nehmen durfte. Donata, so weiße Haut und so helle Augen, von klarem Grau wie nasse Bachkiesel. Da unten im Innenhof sah er sie gehen, sie schritt langsam, wie ein Mensch, der keinen Wert darauf legt, irgendwo anzukommen, weil es doch überall gleich trostlos ist. Abwesend strich sie mit ihren Händen an den Zweigen der Sträucher entlang, und ihre blauschwarzen Haare, zu einem losen Zopf gewunden, glänzten im letzten Licht der roten Sonne. Dann war sie hinter der hohen Steinmauer des Cortile bei den Stallungen verschwunden.
Was hätte er nicht für sie getan, damals … Aber sie hatte ihn betrogen, gedemütigt, ihm Hörner aufgesetzt. Und er hatte ihr das Kind genommen. Er war an ihr Lager geeilt, um das Schreckliche zu tun. In diesem Moment hatte er nicht nur ihre Seele getötet, sondern seine mit dazu.
Seitdem richtete er nicht mehr das Wort an sie, er zählte die Monate nicht mehr seit jenem Tag. Und sie, die Contessa, trug ihr Schicksal mit erhobenem Haupt und traurigem Blick. Doch manchmal, wenn sie sich unbeobachtet glaubte, betrachtete er sie und fühlte, dass er sie noch immer liebte. Aber sein Stolz verbot ihm, das Schweigen zu brechen, sie zu berühren. Seinen Söhnen war sie eine gute Mutter, und die beiden Kinder hatten sich damit arrangiert, dass die Eltern nicht miteinander sprachen.
»Es ist ein böser Zauber, der nicht aufgehoben werden kann«, hatte Donata dem fragenden Paolo einmal erklärt und ihm dabei sanft über das Haar gestrichen. Am Blick des Kindes sah sie, dass diese Antwort seine Wissbegier nicht befriedigte, aber sie fühlte auch das Gespür des Knaben für ihre eigene Verletztheit, denn er nickte verständig und wandte sich wieder seinem Spiel zu.
»Es ist Zeit, mein Conte.«
Er hatte seinen Leibdiener nicht eintreten hören. Der Araber war lautlos wie ein Schatten, und diese Lautlosigkeit
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