Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
war schon manchen von Ascanios Widersachern zum Verhängnis geworden. Jetzt löste sich Mahmut aus dem Halbdunkel des prächtigen Gemachs und trat einen Schritt auf seinen Herrn zu, der ihm noch immer den Rücken zuwandte. Di Cavalli war unter den leisen Worten zusammengezuckt. Ohne sich umzusehen, winkte er dem Bediensteten zu.
»Ich komme gleich.«
Für einen weiteren Moment verharrte er still am offenen Fenster, und sein Blick verlor sich in der Weite des rotglühenden Horizonts. Er seufzte. Am heutigen Abend stand ihm nicht der Sinn nach Feiern, aber seine Jagdgesellschaft wollte unterhalten sein. Es waren wichtige Männer in der Gästeschar, aus Florenz und Siena und Lucca. Unter ihnen, und darauf war er besonders stolz, befand sich sogar Pandolfo Petrucci, reichster Bürger und einer der einflussreichsten Männer Sienas.
Lagen die drei Städte auch in ständigem Konkurrenzkampf, sowohl in wirtschaftlicher als auch in kultureller Hinsicht, so war es doch unabdingbar, den Kontakt untereinander nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern im Gegenteil sogar zu vertiefen. Man musste sich ab und zu der Loyalität der anderen Nobili versichern, denn es konnte jederzeit ein Angriff von außen stattfinden. Die prosperierenden Stadtrepubliken waren den rivalisierenden Franzosen und Spaniern ein Dorn im Auge, und man neidete Ascanio und den anderen Edlen den stetig wachsenden Wohlstand und die damit verbundene Macht.
Vor einigen Wochen erst war Ferdinand II. von Aragonien zum König von Neapel gekrönt worden, und weder der Conte noch die Herrscher der anderen toskanischen Städte gaben sich der Illusion hin, einer friedvollen Zukunft entgegenzusehen. Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe, seine Stadt zu schützen, vielleicht durch eine Mauer, so hoch und so breit, dass sie jedem Angriff standhalten könnte. Er wollte mit seinen Baumeistern sprechen, sobald die Gäste wieder fort waren. Di Cavalli warf einen letzten Blick in den nun violetten Abendhimmel, dann drehte er sich um, und nur wenige Augenblicke später sahen seine Gäste einen beeindruckenden Grafen in vollem Ornat die reich geschmückte Halle betreten. Ascanio nickte ihnen lächelnd zu. Seine Seele aber war bei Vivica.
Zur selben Zeit herrschte in der Küche des Palazzo buntes Treiben. Hier wurde nicht nur viel gearbeitet, sondern auch viel gelacht. Anna konnte sich nicht erinnern, inmitten dieser Menschen jemals schlechte Stunden verlebt zu haben. Gabriella, ihre alte Tante, stand seit vielen Jahren im Dienst des Conte und seiner Familie. Sie hatte ihm, als er noch ein kleiner Junge war, die Nase geputzt und ihm beigebracht, die Bänder an seinem Hemd zu binden. Gabriella war die Schwester von Annas Mutter und hatte sich nach dem Tod der Eltern um Anna und ihre Brüder gekümmert. Anna war die jüngste der Familie gewesen, ein zartes, lebhaftes Kind, das viel zu früh ohne Nestwärme auskommen musste. Gabriella freute sich darüber, dass ihre Nichte in Giacomo einen liebevollen, guten Ehemann gefunden hatte, und wenn man davon absah, dass Anna darunter litt, ihrem Mann noch immer keinen Sohn geboren zu haben, erschien ihr die Nichte glücklich.
Aufmerksam beobachtete die Alte, während sie einen Apfel schälte, wie sich Anna mit ihrer Tochter beschäftigte. Früher hatte sie die Familie nahe Grosseto ab und an besucht, heute war der Weg zu beschwerlich für Gabriella. Umso mehr genoss sie es, ihre Kleine, wie sie Anna liebevoll nannte, nach mehr als zwei Jahren endlich wieder bei sich zu haben. Wenn auch nur für wenige Tage. Außerdem war sie auf das Töchterchen gespannt gewesen, auf Magdalena. Bei ihrem letzten Besuch war Anna hochschwanger und fühlte sich nicht wohl. Und nun konnte Magdalena schon laufen und sprechen. Sie war wirklich eine Schönheit, soweit man das von einem kleinen Kind sagen konnte. Sie hatte das lebendige Wesen ihrer Mutter, und in ihren Zügen lag schon jetzt tiefe Empfindsamkeit. Das verlieh dem jungen Gesicht einen besonderen Zauber, der von dem wachen Blick der runden Augen noch verstärkt wurde. Allein, irgendetwas irritierte sie an diesen Augen, aber Gabriella vermochte nicht zu sagen, was es war. Sie klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit des Mädchens einzufangen, und zog das Kind, das ihr mit vertrauensvoll ausgestreckten Ärmchen entgegengelaufen kam, auf ihren Schoß.
»Sieh mich an, Magdalena. Sieh deine alte Tante an.«
»Es sind ihre Augen, die dich verwundern, habe ich Recht?«, hörte die alte Frau Anna
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