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Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Bracht
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Küchenmeister keinen Moment von der Seite. Gianni, der rotgelockte Koch, seufzte und schob den kleinen Kerl ein weiteres Mal energisch von sich weg. Er mochte diesen pausbäckigen Jungen mit den wachen grünen Augen, aber heute hatte er weder Zeit noch Geduld, um sich mit den Fragen des Fünfjährigen zu befassen. Der Herr gab eine wichtige Gesellschaft, die Nobelsten der Toskana waren für ein paar Tage hier im Palazzo des Conte di Cavalli versammelt. Und da hieß es nicht nur ausgezeichnet sein, nein, sein Ehrgeiz war es, seinem Grafendas beste Mahl zu bereiten, das dieser je im Kreise seiner Freunde genossen hatte. Mit einer Kopfbewegung bedeutete er dem Küchenmädchen, noch mehr von dem zerkleinerten, mit Zimt und Muskatnuss gewürzten Schweinefleisch in den Schwan zu stopfen. Carlo verharrte wie angewurzelt neben dem Mädchen, das emsig den Vogelleib füllte, ohne dabei die Form des Tieres außer Acht zu lassen.
    Der Koch blickte sich um. Wo nur Benedetto wieder blieb. Sein Sohn war erst fünfzehn Jahre alt und bartlos, aber bereits mehr Mann als Knabe. Gianni hatte ihn neulich dabei überrascht, wie er mit einer Zigeunerin hinter den Bäumen bei den Stallungen lag. In Gedanken daran schüttelte er halb ärgerlich, halb verständnisvoll den Kopf. Dass sein Sohn erwachsen wurde, war die eine Sache, und wenn ihn eine reife Frau in die Wonnen der Liebeskunst einwies, umso besser, aber Gianni wurde das Gefühl nicht los, sein Sohn sei diesem Gauklerpack nachgelaufen, das bis vor wenigen Tagen in Lucca gelagert hatte. Wenn er wirklich bis Grosseto gelaufen war – der Bengel konnte etwas erleben bei seiner Rückkehr!
    Seit über einem Tag hatte er Benedetto nicht mehr gesehen, und aus seiner Tochter war dazu nichts herauszubringen. Wie auch. Die Kleine war stumm, und außer ihr konnte niemand wissen, wo der Junge war, denn der Koch lebte seit dem Tod seiner Frau mit den beiden Kindern allein. In einem plötzlich aufwallenden Gefühl von Zärtlichkeit wandte er sich der niedrigen Holztür zu, die in den kleinen Kräutergarten führte. Sie war offen. Er gönnte sich diesen Moment der Ruhe und betrachtete seine Tochter, wie sie mit der kleinen Magdalena fröhlich zwischen den Sträuchern im Garten umherlief. Kinder brauchen keine Sprache, dachte er. Sie reden mit den Augen und mit ihrem Lachen. Es war entzückend, ihnen zuzuschauen.
    Josepha, seine Tochter, hatte ebenso helle Haut und rote Locken wie er. Auch von der Statur her war sie ihm ähnlich. Seine Stirn legte sich in Falten. Benedetto dagegen … Der Koch wehrte sich gegen die Einsicht, dass Benedetto ihm mit keiner Faser seines Körpers ähnelte. Auch nicht seiner Frau. Und je älter Benedetto wurde, desto offensichtlicher wurde es. Dunkle Haut, dunkles Haar, dunkle Augen, ein hitziges Temperament und diese Zuneigung für das Volk der Gaukler – Benedetto hatte schon als kleiner Junge kreischend vor Freude bei ihnen am Lagerfeuer gestanden und sich summend zur Musik ihrer Instrumente bewegt – doch wie konnte etwas wahr sein, was nicht wahr sein durfte? Er schüttelte sich, um diesen hässlichen Gedanken loszuwerden. Aber Gianni spürte: Etwas war in ihm erwacht, und er sah Benedetto bereits mit anderen Augen.
    »Das Schweinenetz, Koch.«
    Anna hielt Gianni den gewässerten Tiermagen hin. Lächelnd nickte er ihr zu. Anfangs war er nicht begeistert gewesen, dass sie mit ihrem kleinen Wirbelwind in seiner Küche aufgetaucht war, schon gar nicht in diesen so wichtigen Tagen. Aber nun, wo sein Sohn wie vom Erdboden verschluckt schien und die Jagdgesellschaft einen äußerst gesunden Appetit zeigte, war er für jede helfende Hand dankbar. Er prüfte das Netz auf seine Unversehrtheit und reichte es der Küchenmagd. Gemeinsam steckten sie den gefüllten Vogel hinein und befestigten das nasse Gewebe mit Holznägeln auf der Bauchseite des Tieres. Gianni überzeugte sich kurz davon, dass das Wasser im großen Kessel die passende Temperatur hatte – es musste warm sein, nicht heiß –, dann hoben sie den Schwan vorsichtig hinein. Das Mädchen legte Holzscheite nach. Der Vogel würde langsam kochen, und genauso langsam würde sich das Schweinenetz um ihn herum zusammenziehen. Danach würden sie ihn auf einen Spieß stecken und braten. Er seufzte. Es würde noch Stunden dauern, bis sie den großen Vogel zur Tafel bringen konnten. Der Koch blickte auf die Hände des Küchenmädchens. Sie war ungeschickt, die Kleine, fast so ungeschickt wie Benedetto … zum Henker mit

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